22,21 km – 07:23 h

Der „Morgenblick“ aus dem Zelt

Nicht jeden Tag passieren auf so einer langen Tour faszinierende Abenteuer. Manchmal ist das Wandern auch einfach nur ein Job. Nach dem gestrigen Highlight am Polarkreis geht es heute weiter bis zur Saltfjellstua. Ich starte um 07:00 Uhr und laufe von Anfang an mit Musik und einem Hörbuch. So vergeht die Zeit schneller.

Das erste Stück gefällt mir landschaftlich sehr gut – karge Felsen, etwas Grün – genau das mag ich. Später geht es dann hinunter ins Bjøllådalen, ein enges Tal das von dem Nord- und Sørstillelva durchflossen wird. Der Trail führt, nach der Querung über eine Brücke, die ganze Zeit oberhalb und parallel zum Fluss entlang. Die Landschaft ist geprägt von Birken, Büschen und viel Heidekraut. Trockene Wege wechseln sich ab mit sumpfigen Flächen, insgesamt relativ gut zu gehen.

Andenken an…

Am Wegesrand entdecke ich ein Grabmal (?) oder einen Gedenkstein. Gestern in der Hütte lag dazu eine Kopie eines Zeitungsartikels, aber leider konnte ich nicht verstehen was es damit auf sich hat. Sebastian ist wohl verunglückt, und seine Partnerin hat die Asche dort am Polarkreis verstreut. So wie das Schwert dort im Boden steckt erinnert es ein wenig an die Artus-Sage…??!

Robert (der links!)

Ich treffe unterwegs heute auf erstaunlich viele Wanderer: ein älteres Paar, eine junge Frau mit Hund, eine weitere mit zwei Kindern… und Robert. Robert ist am Nordkap gestartet und läuft den E1 bis nach Italien. Wie immer gibt es einen gemeinsamen Blick auf die Karten und wir tauschen gegenseitig Informationen aus über die Strecke, die der andere noch vor sich hat.

Auf der Route liegen heute sogar drei Hütten: die Krukkistua, eine alte Steinhütte und mein Ziel, die Saltfellhytta. Etwa acht Kilometer vorher holen mich Daina und Nadja ein. Die beiden sind eine gute Stunde später gestartet und wollen in der Krukkistua Pause machen. Als ich dort ankomme sieht aber alles verlassen aus und ich entscheide spontan die letzten fünf Kilometer durch zu laufen.

Als ich die Saltfjellstua erreiche machen sich grade zwei ältere Frauen zum Aufbruch bereit. Der Ofen ist noch an und ich lege schnell ein Holzscheit nach. Warmes Wasser gibt es auch noch und nachdem alles Nasse über dem Ofen hängt nutze ich die Gelegenheit für eine ausgiebige Wäsche. Danach will ich es mir grade mit einem Kaffee gemütlich machen, als Nadja und Daina eintrudeln. Ich habe eigentlich gedacht die beiden wären vor mir, aber wir haben uns an der Krukkistua wohl verpasst. Ich habe nicht gesehen, dass jemand in der zweiten Hütte saß. Wir plaudern, machen uns Gedanken über den weiteren Weg, trinken Kaffee… gegen 16:00 Uhr brechen die beiden auf um noch ein Stück zu laufen. Ich bin froh nicht mehr raus zu müssen und genieße die Wärme, die Gemütlichkeit und das Alleinsein in der Hütte.

Ich mache einen „Kassensturz“ in meinem Proviantbeutel und werde ab morgen wohl Gulasch und Chili zum Frühstück essen. Leider habe ich in Umbukta ja keine Haferflocken oder Müsli bekommen. Hauptmahlzeiten reichen bis Sulitjelma auf jeden Fall. Der Einkauf dort wird anstrengend und ich muss die nächste Etappe bis zur Huskyfarm in Innset nochmal genau planen um nicht zu viel Proviant zu schleppen – ich rechne ungefähr mit 12 – 14 Tagen, wobei es in Schweden zwei Möglichkeiten geben soll etwas nach zu kaufen. Mein Plan ist also die Hauptmahlzeiten mitzunehmen, Frühstück und Zwischenmahlzeiten jeweils nur für fünf Tage und in Ritzem und Riksgrensen nochmal aufzufüllen. Auch in Stàloluokta soll es einen sehr gut sortierten Kiosk geben, der sogar frisches Obst führt – so jedenfalls die Info von Robert.

Später bekomme ich doch noch Gesellschaft. Ein älterer Mann zieht in die kleine Nebenhütte ein. Die Verständigung ist etwas schwierig, da er offensichtlich sehr schlecht hört und kaum Englisch spricht. Wenn ich alles richtig verstanden habe, war er fischen und hat nun Problem den Fisch nach Hause zu transportieren. Ich hätte da ja eine Idee wie ich helfen könnte…. leider ist der Fisch schon in Salz eingelegt und so nicht essbar. Schade.

Grade als ich mit meinem Abendessen fertig bin poltert es erneut auf der Veranda. Diesmal sind es – welch ein Zufall – Simone und Stefan. Und dann kommt um 20:00 Uhr noch ein später Gast. Markus läuft ebenfalls den E1 vom Nordkap bis nach Italien. Also wieder jemand, der die Strecke, die ich noch laufen muss, in etwa kennt. Schön, dann wird es ja doch noch ein geselliger Abend. Hauptthemen natürlich Tourplanung, Ausrüstung und Essen. Ich breche morgen wieder früh auf und verabschiede mich aus der Runde gegen 21:30 Uhr.

Saltfjellstua

Fazit: obwohl hier kein Tag wie der andere ist, gibt es doch so etwas wie Routine oder Alltag. Geregelte Abläufe, ein Rahmen der den Tag fasst – wie im „normalen Leben“ auch. Und mein „Job“ ist es grade zu laufen.