27,35 km – 06:48 h

Der Wind in der letzten Nacht hat dafür gesorgt, dass es so gut wie keine Kondensfeuchte im Zelt gibt. Ich bin gespannt, was der Tag heute bringt. Das Wetter soll gut werden und auf meinem Programm steht heute der Nordkap Tunnel. Knapp 7 km lang und 200 m unter dem Meeresspiegel. Wenn ich mich beeile, brauche ich circa 90 Minuten, um am anderen Ende wieder das Tageslicht zu sehen. Ich starte gemeinsam mit Hans Viktor, der am Tunneleingang seinen Rucksack an seinen Vater übergibt. Das Angebot, mein Gepäck ebenfalls mit dem Auto zu transportieren, lehne ich natürlich ab. Schnell noch einen Schokoriegel, dann geht ab in die Dunkelheit zum Mittelpunkt der Erde.

So schlimm ist es aber gar nicht. Der Tunnel ist gut ausgeleuchtet, links und rechts neben den Fahrbahnen gibt es circa 80 cm breite Gehwege. Die Luft ist etwas abgestanden, ich habe aber nicht den Eindruck, dass es nach Abgasen riecht. Den Zeitpunkt für die Tunneldurchquerung habe ich gut abgepasst. Sonntagmorgens ist so gut wie kein Verkehr hier oben unterwegs. Auf der ganzen Strecke begegnen mir vielleicht zehn Fahrzeuge. Nicht eingerechnet habe ich Viktors Vater, der mehrfach an uns vorbei fährt und Fotos macht. Die ersten 4 km geht es stetig Berg ab und wir legen ein ordentliches Tempo vor. Die restlichen 3 km geht es dann wieder Berg auf. Spätestens jetzt komme ich wieder gehörig ins schwitzen und werde langsamer. Waren die ersten Schritte noch aufregend, wird es spätestens nach Kilometer drei eher langweilig. Jetzt heißt es Zähne zusammenbeißen, Beine unter den Arm nehmen und stur weiter laufen. Nach genau 75 Minuten habe ich den Ausgang des Tunnels erreicht und stehe auf der Insel Magerøya.

Ein paar Kilometer weiter nimmt Viktor seinen Rucksack wieder in Empfang, und wir verlassen die Straße, um dem E1 nach Norden zu folgen. Es geht kurz, aber sehr steil hinauf, dann suchen wir uns den besten Weg Richtung Norden. Markiert ist hier überhaupt nichts, die Orientierung mittels GPS ist aber nicht schwer.

Etwa nach 5 km stoßen wir wieder auf die Straße und die E 69, der wir nun weiter folgen.

Es läuft sich schnell auf der Straße und bereits um 14:30 Uhr erreichen wir den vorgesehenen Campspot. Direkt an einem See mit Ausblick auf die Berge, allerdings in direkter Nachbarschaft zur Straße. Autolärm stört hier allerdings nicht bei so wenig Verkehr. Erneut wird Viktor von seinem Vater besucht, der verschiedene Leckereien mitbringt. Auch für mich fällt dabei eine Dose Bier ab, die ich selbstverständlich nicht ablehnen kann. Wir unterhalten uns ein wenig, dann baue ich mein Zelt auf und lasse den Tag mit Blick auf den See und den klaren Abendhimmel ausklingen. Vielleicht wird es ja heute etwas mit den Polarlichtern!

Fazit: ich finde es ist eine sehr merkwürdige Situation. Morgen werde ich mein Ziel nach ungefähr 2800 km erreichen, trotzdem merke ich (noch) nichts von irgendwelchen großen Emotionen. Ich denke zwar über das Ende der Tour und das Danach nach, aber das diese große Wanderung nun tatsächlich zu Ende gehen soll, nehme ich irgendwie überhaupt nicht zur Kenntnis. Ich glaube es ist gut, dass ich meine beiden letzten Tage (hoffentlich) für mich alleine habe. Morgen sind es nur 17 km bis zum Knivskjellodden. Dort werde ich noch einmal in der norwegischen Einsamkeit übernachten, übermorgen sind es dann noch einmal etwa 15 km bis zum Nordkap. Und dann???