30,79 km- 09:22 h – 800 Höhenmeter

Ich habe ja gestern schon befürchtet, dass das Zelt nicht das hält was es verspricht. Heute Morgen war dann auch tatsächlich das untere Ende meines Schlafsackes nass. Ein absolutes no go, wenn ich irgendwo in den Nordlanden darauf angewiesen bin. Heute ärgere ich mich zwar gewaltig darüber, aber da unser Ziel die Skarsvassbu ist, habe ich Gelegenheit alle Klamotten über Nacht zu trocknen. So schnell es geht packe ich meine Sachen im Zelt zusammen, jetzt regnet es auch wieder und das Zelt muss so richtig nass in den Rucksack… Es gibt noch einen schnellen Kaffee und zwei Lømpe mit Tubenkäse, dann mache ich mich um 07:00 Uhr auf den Weg. Heute liegt eine stramme Strecke vor mir, aber ich will mir Zeit lassen. Die Tour beginnt mit einem recht langen Stück Schotterpiste, das sich ganz schön zieht. Es ist bewölkt, regnet aber nicht. Eigentlich ideales Wanderwetter.

Es geht durch das Skjeggedal, vorbei an Bauernhöfen mit viel Schafwirtschaft. Gegen Mittag mache ich grade Pause, als Kathi mich einholt. Ich bin aber schon wieder am Aufbrechen und so wechseln wir nur ein paar kurze Worte.

Eigentlich muss jetzt bald der Einstieg in den Wanderweg kommen und glücklicherweise kontrolliere ich mein Garmin grade noch rechtzeitig. Ich bin knapp einen Kilometer zu weit… also zurück und quer durch einen Garten den Berg hinauf. Definitiv ein privates Grundstück, aber der Trail führt nun mal hier durch. Jedenfalls hat er das wohl vor 30 Jahren mal getan, jetzt ist nicht mehr viel davon zu sehen. Ich bin schon drauf und dran umzukehren, da entdecke ich tatsächlich einen Wegmarkierung.

Man braucht schon recht viel Fantasie, um hier einen Wanderweg zu sehen. Aber ich bin ja auf dem richtigen Pfad, also geht es auch weiter. Es wird nun steil und anstrengend. Kein gemütliches „dahin trotten“, sondern echte Arbeit. Belohnt wird man aber an jeder Ecke mit toller Landschaft und, wenn man denn weit genug oben ist, mit umwerfenden Ausblicken.

Der letzte Anstieg zur Skarsvassbu raubt mir wortwörtlich die letzten Kräfte. Habe ich vorhin geschrieben es war steil…? Gefühlt geht es mitten durch den Wald, mit einer Steigung von mindestens 70%. Der Rucksack zieht ordentlich nach hinten und hinzu kommt, dass der Weg eher einer Schlammwüste gleicht. Grade werden hier Forst- und Rodungsarbeiten durchgeführt und große Schneisen sind durch die Raupenfahrzeuge völlig verwüstet. Munter kommt mir ein Forstarbeiter entgegen, der wohl grade Feierabend macht, jedenfalls grinst er mich gut gelaunt an, als ich im Schneckentempo mein Gepäck den Abhang hochstemme. Ich grüße und versuche ihn zu überreden die Rucksäcke zu tauschen, er meint gerne, aber leider geht er ja in die falsche Richtung. Er erzählt, dass er nach dem Orkan Kyrill einige Wochen mitsamt seinen Maschinen in Deutschland ausgeholfen und den Sturmbruch beseitigt hat. Wir wechseln noch ein paar Wort in englisch-norwegischem Kauderwelsch, dann quäle ich mich weiter.

Irgendwann bin ich oben angelangt und muss über die Hochebene. Die Skarsvassbu ist der Einstieg in die Austheiane und liegt auf ca. auf 700 m Höhe.

So können Wege auch aussehen

Ich glaube gegen 17:00 Uhr kommt mein Ziel endlich in Sicht. Meine Mitläuferin hatte mich zwischenzeitlich schon wieder überholt und ist bereits am Ziel.

Bevor ich aber reinschaue wird erst einmal mit zwei großen Eimern Trinkwasser aus dem nahegelegenen See geholt. Es ist so ein schönes Gefühl auf meiner ersten norwegischen Fjellhütte zu übernachten. Nach einem anstrengenden Tag den Ofen anzufeuern, alle nassen Sachen zum trocknen aufhängen… und das Beste: die Vorratskammer! Jetzt zu Beginn der Saison ist wirklich alles da was das Herz begehrt. Konserven mit Spaghetti, Kjøttbuller, Fiskekake, aller denkbaren Variationen von Tütensuppen, Obstkonserven, Brotaufstrich, Schokolade, Kakao… vielleicht kann man ja auf dem Video etwas erkennen.

Apropos Obstkonserven… natürlich habe ich als Erstes eine Dose Ananas gegessen… Herzliche Grüße an Simon!! 😂

Am späteren Abend schneit noch ein weiterer Wanderer herein, Christian aus Kristiansand. Es wird ein wenig gequatscht, eine gute Gelegenheit etwas über die aktuellen Wetter- und Schneebedingungen zu erfahren, leider kennt er sich auch nicht so richtig gut aus.

Fazit: Die kleinste Hütte kann ein Schlaraffenland sein, es kommt nur auf die eigenen Ansprüche an.