24,02 km – 08:39 h

Nun, eigentlich ist es ja kein Tal sondern der östliche Rand des Narvik-Fjells. In allen Reiseberichten die ich gelesen habe wurde immer davon gesprochen, wie schön es sein soll. Aber leider entsprechen die Berichte nicht der Wahrheit. Das was ich heute sehen durfte ist einfach unbeschreiblich.

Nach dem Aufwachen nehme ich mir die Zeit und plane meinen nächsten Einkauf in dem schwedischen Örtchen Riksgränsen. Dort werde ich morgen ankommen und die dringend notwendige Einkaufsmöglichkeit finden. Damit ich nicht wieder in einen Kaufrausch verfalle nehme ich mir vor nur nach Liste einzukaufen. Ich brauche Frühstück und Zwischensnacks für die nächsten drei Tage bis Innset. Und ich brauche für die sieben Tage von Innset nach Kilpisjärvi alles was nicht in meinem nächsten Paket enthalten ist… Die Planung fällt mir nicht leicht und letztendlich schreibe ich wieder nur die Sachen auf, die ich seit über 100 Tagen esse. Hier im hohen Norden fehlen mir die Möglichkeiten einfach mal Essen zu gehen und Pausentage mit Zugriff auf einen Supermarkt und frische Lebensmittel hatte ich zuletzt in Sulitjelma. Aber vielleicht kann ich mich ja morgen in Riksgränsen „bewirten“ lassen. Da ich seit fünf Tagen keinen Datenempfang habe kann ich bisher keine Unterkunft dort finden und muss schauen, welche Möglichkeiten es dort gibt.

Die Einkaufsliste dauert und mittlerweile kann ich auch ohne schlechtes Gewissen den lauten Gaskocher anwerfen. Aus Rücksicht auf meine Zeltnachbarin habe ich bis jetzt damit gewartet. Frühstücken, abbauen, einpacken – Handgriffe die im Schlaf funktionieren. Um kurz vor acht bin ich aufbruchbereit. Der Morgen ist noch etwas verhangen, aber die Sonne lässt schon grüßen. Während Daina langsam wach wird laufe ich los. Eine Verabschiedung ist nicht nötig, sie holt mich eh gleich wieder ein.

Kaum habe ich den ersten Kilometer hinter mir muss auch schon wieder ein Fluss gefurtet werden – mittlerweile keine aufregende Sache mehr. Trotzdem ziehe ich die Schuhe aus, ich will kein Risiko eingehen, dass die neuen Schuhe nass werden. Auf der anderen Flussseite hat Daina mich dann eingeholt und wir laufen zusammen zur Cunojavrihytta. Dort lege ich eine kurze Pause für ein zweites Frühstück ein.

Die Hütte ist fantastisch gelegen und die Nebenhütte nagelneu eingerichtet. Vier Wanderinnen räumen dort grade auf und gehen dann los. Gleich wird nachgeschaut, ob in der Hikerbox etwas Brauch- bzw. Essbares hinterlassen wurde. Und tatsächlich: eine Tüte mit Nussmischung, ein paar Haferflocken und zwei Dosen Leberwurst… nehm‘ ich, man soll ja nichts verkommen lassen.

Kurz nach dem Aufbruch erreichen wir eine Brücke, vor der mich gestern schon zwei Wanderer gewarnt haben. Die Konstruktion soll reichlich unsicher sein, besser man läuft durch das Flussbett. Ich schaue mir die Brücke an und so schlimm finde ich es garnicht. Also lasse ich Daina vorgehen – „Ladys first“ heißt es ja (😂😂😂). Ja es wackelt, das Geländer fehlt teilweise und der Laufsteg neigt sich in der Mitte deutlich nach rechts, ist aber alles kein Grund sich nasse Füße zu holen. Beide kommen wir sicher am anderen Ufer an.

Dort trennen sich dann auch unsere Wege. Daina läuft auf dem Kungsleden nach Abisko, ich bleibe im Narvikfjell und nehme Kurs auf Katterat, die letzte Eisenbahnstation hier oben.

Die Landschaft wird immer beeindruckender: eine von Bergen gesäumte Ebene, westlich die Ausläufer der Gletscher Sealggajiekna und Ristačohkka, östlich die steilen Hänge des Beatnatčorru. Alle paar hundert Meter stürzen dort Wasserfälle herunter und fließen in den Oallavaggi, ein türkisfarbener Fluss, der sich immer wieder zu Seen aufweitet und durch die Gletscher gespeist wird. Das Gelände ist trocken und durchsetzt mit Felsen, als hätten dort Riesen ein Murmelspiel gespielt. Dazu der blaue Himmel… am besten ihr schaut euch die Fotos an:

Ich bleibe bestimmt fünf mal stehen, mache lange Pausen und überlege jedes Mal, ob ich ich nicht hier mein Lager aufschlage. Aber es innerlich treibt es mich weiter, was mich eigentlich ärgert. Als Kompromiss laufe ich bis zum Ende der Ebene und mache dort für heute Schluss.

Mitten auf der Strecke liegt die Oallavaggehytta, eine Nothütte und eigentlich der perfekte Ort um hier die Natur über Nacht zu genießen. Leider ist die Hütte verschlossen, sonst wäre ich wohl doch schwach geworden. Hier wird offensichtlich von Grund auf renoviert und ein Blick durch die Panoramafenster zeigt, dass alle Nachfolgenden sich auf einen fantastischen Platz freuen dürfen, wenn er denn fertig ist.

Die Eben verjüngt sich mehr und mehr zu einer Schlucht. Es wird nochmal ordentlich steinig und mein Plan hier einen Zeltplatz zu finden löst sich in Luft auf. Unten in der Schlucht fließt der Hunddalselva und ich laufe an den Hängen entlang durch die ganze Schlucht, bis sie sich wieder weitet und die Felsen durch grüne, weitläufige Flächen abgelöst werden. Hier finde ich dann auch meinen Lagerplatz.

Fazit: heute ein Tipp für alle NPL-Läufer, die vielleicht diesen Block mal lesen: vergesst Abisko! Der Weg durch das Oallavaggi-Tal ist vielleicht anstrengender aber unbeschreiblich schön! Ihr müsst aber unbedingt Sonnenschein und blauen Himmel mitbuchen!!