14,00 km – 07:36 h

Gewohnt früh bin ich wach und als ich aus meinem Zimmer in die Stube trete ziehe ich mich sofort hektisch wieder zurück. Scheinbar haben meine Mitbewohner die Hüttentür gestern Abend nicht richtig geschlossen und nun schwirren auch in der Hütte Mücken herum. Also erstmal richtig anziehen und Autan großzügig verteilen. Die Saunatemperatur gestern Abend hat immerhin dafür gesorgt, dass meine Kleider und sogar die Schuhe wieder trocken sind. Ich mache mir Kaffee und ein Porridge aus dem Hüttenvorrat, dann wird der Rucksack gepackt und los gehts. Wie gestern besprochen, schließe ich die andere Hütte wieder ab, die Haupthütte bleibt offen – ich hoffe nur es passiert nichts.

Storhøliseter

Der Morgenhimmel ist blau und der Weg, wie gestern, gut markiert. Es geht zuerst auf 1200 m an den Gipfeln der Storhøa und des Storhøpiggen vorbei, dann runter ins Tal zum See Breisjøen. Es ist sehr warm und ich nutze das flache Seeufer für ein kurzes Bad… wie immer sehr erfrischend und weckt die Lebensgeister. Leider aber nicht nur die! Als hätten sie im Ufergebüsch darauf gewartet dass ein unbedachter Wanderer mit seinem unbedeckten Körper aus dem dem Wasser kommt, stürzen sich sämtliche Mücken der Gegend auf mich. Ich könnte schwören, dass die vorher noch nicht da waren… Schnell also wieder ins Wasser, dann gut geplant und getimed ein zweiter Versuch. Ich windeseile trockne ich mich ab, verteile wieder großzügig Autan und schon verlieren die Biester ihr Interesse. Lange aufhalten will ich mich aber jetzt nicht mehr.

Es geht weiter durch dichte Birken- und lichte Kiefernwälder, oft steil bergauf, ebenso oft steil bergab (wer hätte das gedacht!). Das kühle Bad hält genau 10 Minuten, dann bin ich wieder so verschwitzt wie vorher. Egal. Ich nähere mich jetzt dem nächsten Berggipfel, dem Rundhø, dann schlängelt sich der Weg auf gut 1300 m durch die Berge. Es ist zwar immer noch sehr warm und schwül, aber die Sonne versteckt sich hinter ein paar Wolken. Ganz geheuer ist mir das nicht und ich schaue nach der aktuellen Wetterlage – erschrocken lese ich, dass ab Mittag (also jetzt) mit Starkregen und Gewitter zu rechnen ist – und ich bin auf einer ungeschützten Hochebene. Also diesmal alle Regensachen an bevor der Spaß losgeht! Man lernt ja dazu. Der Weg führt weiter in die Höhe und als es ordentlich anfängt zu donnern schlage ich in Rekordzeit mein Zelt auf. Hat bestimmt keine zwei Minuten gedauert und daran gedacht schwere Steine auf die Häringe zu legen, habe ich auch 👍 Dann alle Klamotten rein, Ohren zuhalten und abwarten was da kommt…

Ein paar dicke schwere Regentropfen und auch ordentlicher Donner, aber alles nicht direkt über mir. Ich warte, telefoniere mit Pe, esse ein wenig… gemütlich ist es nicht und der Platz ist auch zu uneben um über Nacht zu bleiben. Also kontrolliere ich regelmäßig die Wetterprognose und beschließe um kurz nach 15:00 Uhr wieder weiter zu laufen. Wenigstens so lange, bis ich einen annehmbaren Platz gefunden habe. Nicht bedacht habe ich, dass ich zwischen den Gipfeln Gråurda und Ruten durch muss, das heißt weglose Kletterei über Schneefelder und immer wieder nachschauen, ob ich noch auf der richtigen Route bin. Das ganze natürlich steil bergauf. Für knapp 4 Kilometer brauche ich zwei Stunden, danach bin ich völlig platt. Ringsum nichts als Gegend, keine Möglichkeit das Zelt aufzuschlagen (nur Sumpf oder Geröllfelder)… mir fällt ein Stein vom Herzen, als ich auf dem höchsten Punkt meiner Route plötzlich einen alten Wegweiser finde, an dem ich mich wieder orientieren kann.

mein bisher höchster Standort: 1.400 m

Ab nun geht es wieder bergab und als ich dann auch meinen Weg wiederfinde, der sogar vom DNT markiert ist, nehme ich das als Omen und suche eine möglichst flache Stelle für mein Zelt. Die Aussicht ist grandios, die Mücken lassen mich hoffentlich in Ruhe wenn es etwas windig wird und Wasser habe ich auch in der Nähe!

Überhaupt freue ich mich grade wieder über das Glück auf meiner Tour. Irgendwie habe ich das Gefühl ich werde gaaanz langsam an das Langstreckenwandern herangeführt: zu Beginn wochenlanger Sonnenschein (habe ich in Norwegen noch nie erlebt), dann ein kleiner kurzer Regenschauer, der sich nur kurz in Erinnerung rufen will, dann wieder tagelang Sonne, plötzlich und unvermittelt ein Wolkenbruch, aber erst kurz vor einer gemütlichen Hütte in der alles wieder schön trocknen kann. Und dann heute das Fast-Gewitter… ich bin wirklich gespannt, ob die Schonzeit irgendwann zu Ende ist und ich bei Regen und Sturm den siebten Tag im nassen Zelt sitze… gehört ja auch dazu – und ab November wäre ich sogar damit einverstanden…!

Zeltplatz
Zeltaussicht

Ich höre nur vereinzelt ein paar Vögel, der Wind weht um das Zelt, entfernt rauscht leise ein Bach… sonst nichts! Das ist wieder so ein Moment, den ich gerne mit Pe teilen würde…

Fazit: Glück kann man durch so kleine Dinge erfahren, manchmal ist es nur ein Gewitter, das nicht kommt oder ein alter Wegweiser im Nirgendwo.