25,50km – 08:37 h

Sonnenaufgang

Ich will ja nicht übertreiben, aber ich glaube ich muss gestern noch vor 20:00 Uhr eingeschlafen sein… und bin heute um 06:00 Uhr erst aufgewacht. Und geträumt habe ich von einem großen Fest zu Hause, eine Mischung aus Janas und Jareks Hochzeit, und einem Geburtstag bei Nina und Berndt. Ich habe so intensiv von der Party geträumt, dass ich heute beim Aufwachen einen Kater habe… oder die Kopfschmerzen und das Kratzen im Hals kommen von dem kalten Wind gestern. Ich nehme gleich zwei Ibuprofen und hoffe, dass die Angelegenheit damit erledigt ist. Eine echte Erkältung zwei Tage vor der Nábár-Überquerung wäre jetzt das Letzte was ich gebrauchen kann.

Mal eine finnische Brücke

Mir fällt heute alles etwas schwer. Das Aufstehen, die Routinehandgriffe am Morgen und auch das Laufen läuft nicht so wie ich es gern hätte. Der Weg auf dem Kalottireiti ist weiterhin gut markiert aber heute für mich schwer zu laufen. Der Pfad ist durchsetzt mit Steinen und Felsen, ich quere viele Geröllabschnitte und bei keinem Schritt kann ich den Fuß auf ebenen Boden setzen. Im Gegensatz zu gestern strengt mich das heute sehr an. Der Wind hat zwar deutlich nachgelassen, dafür hängen aber dicke graue Wolken am Himmel und kalt ist es trotzdem.

Ungefähr auf halber Strecke komme ich an der Pihtsusjärvi vorbei und lege dort eine längere Pause ein. Ich mache mir einen heissen Kaffee und es gibt Brot mit Tubenkäse, Blaubeerkekse, Mango und Datteln. In der kleinen Hütte sind 10 Schlafplätze vorgesehen, auf grade mal knapp 20 qm, inklusive Tisch, Sitzbank, Küchenecke und Holzofen. Wenn es hier mal voll belegt ist wird sehr (!) gemütlich. Ich breche nach einer knappen Stunde und zwei Kaffee wieder auf. Bis zur Somashytta, wieder auf norwegischer Seite, sind es noch 14 km, da kann ich es ruhig angehen lassen.

Die Pihtsusjärvi

Die Pause hat mir gut getan. Ich fühle mich deutlich besser als heute Morgen – war wohl doch nur ein Phantom-Kater – und als sich nun auch die Sonne blicken lässt bin ich mit der Welt wieder zufrieden. Meine Gedanken springen heute wieder hin und her, von der bevorstehenden Rückreise mit dem Postschiff zu meinen Lieben daheim, zu den Dingen die ich unbedingt tun möchte, wenn ich wieder zu Hause bin und immer wieder zu der weglosen Querung der Hochebene. Wenn das Wetter noch fünf Tage so bleibt wie heute, wäre das ein Geschenk! Daina wird mir morgen in der Nedrefosshytta eine Nachricht mit der Wettervorhersage hinterlassen. Ich bin gespannt, aber ich ich darf mich auch nicht verrückt machen lassen.

Etwa drei Kilometer vor meinem Ziel, der Somashytta, überschreite ich wieder die Grenze nach Norwegen und habe nun also auch Finnland hinter mir gelassen. Wenn ich jetzt auf die Karte schaue bin schon ganz gewaltig weit im Norden… Die Landschaft hier ist unfassbar weit und leer! Wie viele Mietwohnungen man hier wohl bauen könnte… Nein, nein, nur ein Spaß! Welcher Mieter will schon seine Einkaufe 270 Kilometer vom Parkplatz zu seiner Wohnung schleppen… obwohl es das Konsumverhalten maßgeblich beeinflussen könnte!

Der Farbanstrich ist grenzwertig

Die Somashytta kommt gegen 16:00 Uhr in Sicht. Es ist eine offene Statskog-Hütte, also eine „staatliche“ und hat bei weitem nicht den gewohnten Standart der DNT-Hütten. Bei schlechtem Wetter sicher ein Unterschlupf, da aber immer noch die Sonne auf die herbstliche Ebene scheint laufe ich hundert Meter weiter und baue mein Zelt in der Nähe des Flusses auf. Beim Wasserholen schaue ich gleich, wie ich den Fluss morgen am besten durchquere – das ist bei einem Wasserstand von wenigen Zentimetern aber kein Problem. Anschließend mache ich es mir mit Daunenjacke und Schlafsack im Zelt gemütlich. Es gibt heute „Minced Beef and Potato’s“, eine heisse Schokolade und zum Nachtisch getrocknetes Obst – kann sich doch sehen lassen, oder? Grade als mein Wasser kocht sehe ich hinten, auf der anderen Seite des Flusses einen Wanderer mit langen Schritten hinter dem Hügel verschwinden. Ich glaube das ist Max – er läuft also noch weiter… kurz habe ich ein schlechtes Gewissen weil ich schon Feierabend mache… dann genieße ich meine heiße Schokolade.

In Kilpisjärvi hat die Polarlicht-App für heute eine hohe Wahrscheinlichkeit vorher gesagt. Leider hat es sich immer mehr zugezogen und jetzt, wo ich hier liege und schreibe, fängt es auch wieder an zu regnen. Ich werde mir aber trotzdem vorsichtshalber den Wecker stellen.

Wer ist – K – ??

Fazit: habe ich schon gesagt wie sehr ich die weiten, kargen Landschaften liebe?? Ich mache mir sehr viel Gedanken zu der letzten schwierigen Etappe. Das muss ich unbedingt runterfahren, sonst bekomme ich heute kein Auge zu. Ich habe aber fest vor durch die Nábárebene zu laufen wenn es das Wetter nur halbwegs zulässt. Kein Nebel und wenig Wind, mehr will ich ja gar nicht. Ist ja wohl nicht zu viel verlangt oder?