28,19 km – 10,58 h

Von der Dividalshytta geht es heute knapp 24 km weiter durch den Øvre Dividal-Nationalpark bis zur Dærtahytta, so jedenfalls der Plan. Ich mache mich früh aus dem Staub, und habe den ganzen langen Tag Zeit. Als ich vor die Tür trete sehe ich erst mal nichts. Na ja, fast nichts. Das ganze Tal ist nebelverhangen – die Lust zu wandern rutscht bei so einem Tagesbeginn schlagartig gegen den Nullpunkt. Trotzdem mache ich mich natürlich auf den Weg, es sind schließlich nur noch drei Etappen, dann bin ich in Kilpisjärvi. In Gedanken spiele ich schon mal die Reihenfolge der Gerichte durch die ich dort essen will. So motiviert schaffe ich sogar den steilen Anstieg zum Pass zwischen den Bergen Jerta und Litle Jerta (der Unterschied sind ca. 200 Höhenmeter). Und siehe da, jetzt bin ich oberhalb der Nebelbänke aber immer noch unterhalb der Wolkendecke. Also keine Sonne aber immerhin Sicht.

Dærtahytta von unten
… und von oben

Der Pass wird durchquert und dann laufe ich in die Jierttávuomi-Ebenen.

Die ganze Zeit überlege ich, wie ich die Landschaft beschreiben kann… Hier gibt es alles, was ich mit dem Wort „Norwegen“ assoziieren würde: die felsdurchsetzten, kargen Wiesen, Blaubeer-, Krähen-, und rote Beerensträucher, die mittlerweile hier oben schon ihre Herbstfarben annehmen. Dazu das verhangene Wetter – nieselig aber nicht richtig nass, und ein stetiger Wind – nicht in sturmstärke aber immerhin so kräftig, dass er mir ordentlich um die Ohren pfeift. Ach ja und die Temperatur liegt so bei knapp acht Grad, laut Hüttenthermometer. Alles in allem ein Norwegenkonzentrat.

Herbstfarben

Damit mir nach dem schweißtreibenden Anstieg nicht kalt wird mache ich etwas mehr Tempo und komme recht zügig voran. Für Pausen ist das Wetter zu ungemütlich und sobald ich stehen bleibe fange ich an zu frieren. Es ist schon recht nervig mit den Regenklamotten. Sobald es etwas anstrengend wird fühle ich mich darin wie in einer Sauna, aber auch eine kurze Pause bringt mich in den nassen Sachen zum frieren. Also gibt es nur ein Snickers auf die Hand und ich laufe bis zur Dærtahytta durch. Die erreiche ich schon um kurz vor 14:00 Uhr und habe wieder mein „Entscheidungsproblem“: hier Schluss machen (das Tagessoll ist ja erfüllt) oder doch die gute Stimmung nutzen und noch ein paar Kilometer dranhängen…? Schließlich habe ich die letzte Nacht ja schon in der Hütte verbracht und eigentlich freue ich mich auf eine „einsame“ Nacht im weiten Fjell.

Dærtahytta im Nirgendwo
hier kann man es aushalten

Ich vertage die Entscheidung und mache erstmal Pause, natürlich nicht ohne vorher alle Gebäude kurz auf Lebensmittel kontrolliert zu haben. Ich wäre sehr froh, wenn ich etwas Zucker finden würde… Grade habe ich Wasser heiß gemacht, den Kaffee und eine Mahlzeit aufgegossen, da schneit Daina herein und etwa eine halbe Stunde später kommt auch Max. Schön so eine gesellige Pause – nur dauert sie dann meistens länger als geplant.

Mittlerweile habe ich mich doch für die Nacht im Zelt entschieden. Schließlich wird es nach Alta kaum noch Hütten geben bis zum Nordkap, da kann ich mich schon mal an kältere Temperaturen im Zelt gewöhnen. Ich werde noch ca. drei Kilometer bis zu einem kleinen See laufen und dort mein Lager aufschlagen. Daina geht ebenfalls weiter, will aber noch gut 7 km weiter und Max beschließt spontan die Hütte für ein Mittagsschläfchen zu nutzen und bleibt dort.

Die drei Kilometer sind schnell gelaufen und der See erreicht. Hätte ich allerdings gewusst, dass ich nochmal durch Geröllfelder muss und das es am See nicht einen Quadratmeter ebene Fläche ohne Steine gibt, dann wäre ich ebenfalls in der Hütte geblieben! Ich laufe kreuz und quer in der Nähe des Wassers umher, finde aber keinen Platz. Dann habe ich genug, fülle meine Wasserflaschen und laufe weiter. Endlich findet sich dann eine geeignete Fläche, sogar im Windschatten einiger Gipfel.

Der Zeltaufbau bei Wind in fast 1000 m Höhe ist schon eine kleine Herausforderung und die Generalprobe für die Nábár-Ebene. Sicherheitshalber beschwere ich die Heringe mit Felssteinen und bin froh endlich zu Hause zu sein. Grade ziehe ich das Aussenzelt zu, da fängt es auch an zu regnen. Perfektes Timing würde ich sagen!

Fazit: ich liege im Schlafsack, tippe den Blog auf dem Smartphone, höre dem Regen zu, der auf das Zelt trommelt. Die Hände und mein Gesicht sind kalt und ich habe zum ersten Mal meine Wollmütze auf. Es wird ernst mit dem Herbst – und ich fühle mich sauwohl.