25,31 km – 10:05 h

Heut ist der 15. Juli und damit bin ich auf den Tag genau zwei Monate unterwegs. Und genau wie vor zwei Monaten empfängt mich der frühe Morgen mit Sonnenschein. Der wird auch dringend gebraucht, denn heute beginnt der erste weglose Abschnitt durch das Blåfjell in Richtung Gaundalen. In den Berichten der anderen NPLer wird diese Strecke als besonders schwierig, nass und sumpfig beschrieben und es sind auch wieder zwei große Flüsse zu furten. Ich rechne also mit dem Schlimmsten. Aber die Sonne scheint und damit verlieren diese Hindernisse schon die Hälfte ihres Schreckens.

Wir haben verabredet, dass wir uns früh auf die Beine machen um möglichst ohne Zeitdruck und mit Reserven die Strecke in Angriff nehmen zu können. Wir wissen ja nicht, wie wir uns in dem weglosen Gelände zurecht finden und wie lange wir für die Flussquerungen brauchen. Aber erst einmal bewegen wir uns auf bekannten und markierten DNT-Wegen, die allerdings schon recht anstrengend sind. Von der Skjækerdalshytta geht es zur Setertjønnhytta, der letzten DNT-Hütte in der es noch einen Proviantraum gibt. Weiter im Norden lässt sich dieser super Service nicht aufrecht erhalten, weil die Proviantversorgung zu aufwändig ist und die Räume zu oft geplündert wurden ohne zu bezahlen. Dabei wären die Resupply-Möglichkeiten grade im Norden, wo es so wenig Einkaufsmöglichkeiten gibt, besonders wichtig.

Bevor wir unser erstes Zwischenziel erreichen, kommen wir an einen ganz besonderen Ort: den geographischen Mittelpunkt Norwegens. Wenn man Norwegen genau mit diesem Punkt auf eine Spitze legen könnte, wäre die Fläche exakt ausbalanciert. Leider hat dieser Ort noch nichts mit dem Mittelpunkt unserer Wanderung zu tun…

Die Setertjønnhytta erreichen wir um 11:00 Uhr und freuen uns auf eine lange Pause. Wir haben Zeit und trocknen die verschwitzten Klamotten und die nassen Schuhe und Socken. Dummerweise halten meine Socken dabei nicht den gebührenden Abstand zur heißen Ofenplatte ein und bevor ich einschreiten kann bilden sich an den Zehen merkwürdige, harte und verklumpte Gebilde aus Merinowolle und geschmolzenem Kunststoffgewebe. Immerhin sind sie nicht gänzlich kaputt, zum Wandern aber nicht mehr zu gebrauchen. Nun muss ich bis zum nächsten Paket in Limingen mit einem Paar auskommen.

Die Hütte wird langsam warm und ich genieße die Leckereien aus dem Vorrat. Ein schnelles Nudelgericht, Schokolade, Kekse und das Beste: eine Familienpackung Pfannkuchen! Stefan hat sich in der NPL-Szene ja bereits einen Ruf als der beste Pfannkuchen-Bäcker erworben. Zehn große Pfannkuchen mit Früchten aus der Dose… dabei vergeht die Pausenzeit wie im Fluge.

Erst drei Stunden später steigen wir wieder in einigermaßen trockene Schuhe und beginnen den zweiten Abschnitt. Mit all den Pfannkuchen im Bauch fühle ich mich etwas schwerfällig und es dauert eine Weile, bis ich meinen Rhythmus wiederfinde. Das ändert sich aber schlagartig, als wir den ersten Fluss erreichen. Das Adrenalin schiesst wieder ins Blut als ich die Breite und die schnelle Strömung sehe. Allerdings scheint es eine gute Stelle zu geben, an der das Wasser nur knietief ist. Durch die Erfahrung von gestern etwas mutiger geworden zaudern wir nicht lange sondern ziehen Schuhe und Hosen aus und wagen uns in das kalte Wasser. Die Strömung ist recht kräftig und an einigen Stellen ist das Wasser tiefer als vermutet, aber wir kommen alle drei ohne böse Zwischenfälle auf der anderen Seite an.

Wir orientieren uns in dem weglosen Fjell an einer Route, die letztes Jahr auch Sophie und Markus gegangen sind. Vielen Dank für die tolle Dokumentation, Sophie!! (www.weitwanderin.de – grade ist Sophie wieder in den Allgäuer Alpen unterwegs und berichtet auf ihrem Blog!) Die Navigation klappt sehr gut und das Gelände ist einfacher zu begehen als so mancher Wanderweg.

Der zweite große Fluss lässt nicht lange auf sich warten, aber wie erhofft, finden wir eine Brücke und so bleibt uns eine weitere kalte Kneippkur erspart. Sehr vertrauenerweckend sieht das Gebilde zwar nicht aus, trägt uns jedoch ohne Schwierigkeiten.

Schwierig wird es allerdings nochmal, denn jetzt müssen wir über die Berge und steuern dazu auf einen Pass zwischen dem Skjækerhatten und dem Sukkertoppen zu. Unsere Schritte bringen den sumpfigen Untergrund in weitem Umkreis zum schwingen, dann geht es an dem Berghang entlang immer steiler nach oben. Wir suchen uns in engen Serpentinen einen Weg nach aufwärts und klettern mit den schweren Rucksäcken stetig weiter auf einen Wasserfall am Skjækerhatten zu. Ein wenig Schwindelfreiheit ist hier schon ganz nützlich, aber ich bin alle paar Höhenmeter überwältig von dem immer schöner werdenden Panorama.

Wir erreichen den Pass und vor uns liegt, eingebettet zwischen den Gipfeln, Felsen und grünen Wiesenstücken, ein großer Bergsee. Hier finden wir in einer flachen Mulde, nah am Ufern einen der schönsten Campingspots. Wir beeilen uns mit dem Zeltaufbau, in den Abendstunden soll es nämlich wieder regnen. Schnell noch heißes Wasser für das Abendessen und einen Tee, dann liege ich im Zelt, lausche dem Wind und den kräftigen Böen und frage mich, ob der Windschutz wohl ausreicht um mein Zelt am Wegfliegen zu hindern.

Fazit: mit den Erfahrungen des heutigen heutigen Tages kann ich den kommenden Etappen durch weglose Regionen deutlich entspannter entgegen sehen – vielleicht lag es aber auch nur an dem schönen Wetter?