29,70 km – 10:05 h

Wie ja bereits heute Morgen geschrieben, sind wir bei schlechtem Wetter aber mit guter Laune aufgebrochen. Gestern haben wir im Hüttenbuch die Einträge gelesen und in allen drehte es sich um die tolle Landschaft und die unmöglichen, nassen, sumpfigen Wegstrecken im Fjell. Wir haben uns also auf das Schlimmste eingestellt, zu Beginn führte uns der Pfad aber einige Kilometer über Plankenwege und auch der Regen war nicht so schlimm wie angekündigt.

Nach dem ersten kräftigen Anstieg auf die Juldalshøgda läuft mir in den Regensachen das Wasser an Rücken herunter – nein, kein Regen… Ich freue mich auf die Mittagsrast in der Veresstua, aber bis dahin sind es noch 14 oder 15 oder 17 Kilometer, die Angaben auf den Geräten und die Angaben auf den Wegweisern differieren ein wenig…

Eine kurze Rast gibt es an der Gamma-Hütte, eine kleine Notunterkunft, die allerdings nicht sehr einladend aussieht. Aber gut, wenn die Not groß ist freut man sich über jeden Schutz. Unsere Not ist zu klein, also machen wir die kurze Pause lieber vor der Hütte. Durch das nasse Wetter und den Wind lassen uns auch die Fliecken in Ruhe.

Ich habe übrigens heute gelernt, dass es noch einen weiteren Wander-Mythos gibt: den Mythos der wasserdichten Rucksäcke! Sehr aufschlussreich, dass Rucksäcke als absolut wasserdicht beworben werden, auf Nachfrage wieso denn dann die Klamotten innen nass werden, der Hersteller aber antwortet: Das Material ist ja absolut wasserdicht, aber dort wo die Tragegurte und Riemen befestigt werden ist das Material ja zerstochen… Ich denke nach dieser Tour wird es einige neue, sehr fundierte Testberichte zu diversen Ausrüstungsgegenständen geben!

Pünktlich zur Mittagszeit erreichen wir die Veresstua. Eine der wenigen DNT-Hütten auf der Strecke bis zum Nordkap, die noch mit Proviant versorgt werden. Dieser Service wird mir demnächst sehr fehlen. Hier ist der Proviantraum aber gut gefüllt und es gibt sogar einen Trockenraum mit Schuh-Gebläse-Trockner. Also alle nassen Sachen aufgehängt und den Ofen eingeheizt, die Pause wird ordentlich genutzt! Simone backt sogar Waffeln, die besten, die ich je auf einer Hütte in Norwegen gegessen habe! Da wir hier erstaunlich guten Netzempfang haben lesen wir gemeinsam die neuen Blogbeiträge unserer Mitläufer. Kathi berichtet von den großen Strapazen und Schwierigkeiten auf dem Weg über Gaundalen und Gjefsøen bis Sandvika, dem nächsten Aussenposten der Zivilisation. Der Bericht macht mich wieder sehr nachdenklich und ich mache mir ein wenig Sorgen, ob ich die weiteren weglosen Etappen als Sololäufer überhaupt in den Griff bekomme. Aber jetzt sind wir ja erstmal zu dritt und ich kann die Gedanken getrost beiseite schieben.

Um kurz vor 14:00 Uhr geht es dann weiter. Mir fällt es sehr schwer die (immer noch) nassen, aber warmen Schuhe anzuziehen und die gemütliche Hütte zu verlassen. Kurz blitzt der Gedanke an eine Übernachtung auf, aber nein! – wenn wir heute nicht noch ein paar Kilometer laufen werden wir morgen die Setertjønnhytta und damit den Etappeneinstieg nach Gaundalen nicht schaffen. Außerdem ist das Wetter deutlich besser als ich gehofft habe.

Jetzt beginnt der Aufstieg in das Skjækerfjell und auch hier habe ich deutlich Schlimmeres erwartet. Ja, der Weg ist sehr sumpfig, aber die Füße sind ja bereits nass… und ja, das Laufen in diesem Gelände ist höllisch anstrengend (zumal Simone ein ordentliches Tempo vorlegt), aber wir werden mit tollen Aussichten belohnt.

Wir erreichen die Brücke über den Tverråa. Eine recht eigenwillige „Lattenkonstruktion“, die für Leute mit Höhenangst nur bedingt geeignet ist. Durch die großen Lücken hat man einen guten Blick auf den fünf bis sechs Meter tiefer liegenden Wasserfall.

Hier am Fluss füllen wir die Wasserflaschen auf und um ein Haar wäre die Tour für mich gelaufen gewesen, als mir plötzlich das Handy aus der Tasche rutscht und in den Fluss fällt. Grade noch habe ich das Gerät erwischt, bevor es in dem recht tiefen Wasser verschwindet…

Jetzt heißt es einen einigermaßen trockenen und ebenen Zeltplatz zu finden und das ist leichter gesagt als getan. In Flussnähe findet sich ein etwas geschützter Platz für Simone und Stefan, und 100 Meter weiter kann ich mein Zelt aufbauen. Grade als ich die Isomatte aufblasen will, kommen meine Mitwanderer den Hügel hinauf, der Spot ist doch zu nass und von Mücken verseucht. Da ich auch nicht zufrieden mit meiner Wahl bin baue ich schnell wieder ab und wir laufen wieder weiter. Nach fast 30 Kilometer finden wir dann endlich eine Möglichkeit.

Nicht der beste Platz aber für eine Nacht reicht es. Schnell steht mein Zuhause und noch in Regenklamotten koche ich Wasser für Tee und mein Essen. Dann suche ich so schnell wie möglich Schutz vor den lästigen Mücken. Für heute Nacht ist ein Gewitter angesagt… ich bin gespannt was da noch kommt

Fazit: es ist um ein vielfaches leichter sich durch den Sumpf zu schleppen, wenn man Gesellschaft hat.