23,48 km – 07:30 h
Trotz des auffrischenden Windes und kräftiger Böen habe ich gut geschlafen und keinen Moment darüber nachgedacht, ob das Zelt wohl hält. Im Gegenteil, ich fühle mich sogar sehr geborgen in meinem Zuhause. Mit den ersten „Sonnenstrahlen“ bin ich wach und überlege erst noch liegen zu bleiben. Allerdings sagt der Wetterfrosch schon am frühen Vormittag Regen voraus, richtig nass wird es dann ab Mittag. Also bringe ich alle meine Sachen in die kleine Hütte und baue das Zelt trocken ab. Danach gibt es ein gemütliches Frühstück und ich kann den Rucksack vernünftig packen. Wie schön es ist, wenn man nur ein kleines Dach über dem Kopf hat…
Der Weg führt mich heute auf gut markierten Trails an den Sulsjøen-Seen und an der Westflanke des Merraskard-Fjellet vorbei. Den ganzen Vormittag ist es nahezu Fliecken-Frei und es weht ein kräftiger aber nicht kalter Wind. Ich finde, genau so stellt man sich Norwegen vor. Moos, Flechten und Felsen, dazu etwas Wetter… richtig norwegisch eben. So macht auch trotz der Schauer das Laufen Spaß und ich komme recht gut voran. Um 09:00 Uhr habe ich schon die Hälfte der knapp 25 km hinter mir, leider wird dann das Gelände recht ungemütlich. Ich steige hinab in das Jervdalen und nun geht es ständig hinauf und wieder runter. Es wird immer matschiger und streckenweise geht es über Geröllfelder und Felsen. Mit dem schweren Rucksack muss ich höllisch aufpassen, dass ich auf den glatten Steinen nicht ins Rutschen komme. Als es dann doch passiert stecke ich bis zum Knie in einer Felsspalte… und sofort habe ich Bilder aus dem Film „127 Tage“ im Kopf. Na ja, ganz so dramatisch war es dann nicht, ich habe den Fuß halt zurück gezogen und bin weiter gelaufen.
Seit ich von der Hochebene runter bin geht es nur durch Sumpf und nasse Wiesen. Die Schuhe sind natürlich komplett durchgeweicht und die Füße nass, also ist es auch egal ob ich in ein Wasserloch mehr oder weniger trete.
„Gelassenheit“, dass ist das Wort, was mir die ganze Zeit durch den Kopf geht. Es regnet – na und? Kann ich es ändern? Die Schuhe sind durchgeweicht und die Füße nass – na und? Ist ja nur Wasser. Die Sumpfwiesen nehmen kein Ende – na und? Einen anderen Weg gibt es nicht, außerdem sind die Schuhe ja eh nass. Die Straße zieht und zieht sich – na und? Wenn ich stehen bleibe bringt mich das auch nicht weiter. Man lernt einfach Gegebenheiten hinzunehmen.
Endlich erreiche ich wieder die Strasse und freue mich über die letzten 5 km Asphalt. Nun fängt es auch heftig an zu regnen. Ein wenig Musik auf die Ohren und schon bald ist die Bellingstua in Sicht. So früh am Tag bin ich der Erste hier. Wie üblich heißt es erstmal Wasser holen, Ofen anheizen und alle Sachen zum Trocknen aufhängen. Dann gibt es einen großen Kaffee, eine Tafel Schokolade und ich genieße die Wärme und die gemütliche Sofaecke.
Gegen 16:00 Uhr erreichen auch Simone und Stefan das Ziel, fast (!) nass bis auf die Knochen. Mein früher Start heute Morgen hat mich wenigstens vor der Nässe von oben bewahrt.
Fazit: Ich lerne auf dieser Reise mehr Gelassenheit zu wahren… ich bin sehr gespannt, wie gelassen ich nach dem 5. Regentag in Folge noch bin!
Gelassenheit… genau das gleiche ist mir auf dieser Etappe auch durch den Kopf gegangen 😉
Ich glaube, man nennt es auch Resilienz.
Ist das nicht herrlich?