24,93 km – 09:16 h

Nachdem ich gestern Abend nochmal alle drei Navi-Apps „übereinander gelegt“ habe, gibt es nun doch eine Route mit 25 km, die angeblich auf Wanderwegen entlangläuft. Das ist mir wesentlich lieber, als hier den Berg durch das Unterholz zu besteigen.

Bevor ich aber starten kann, muss ich erst das Zelt und den Schlafsack trocken legen. Bei Sonne und leichtem Wind geht das recht fix und das Aussenzelt stelle ich einfach nochmal in der Sonne auf. In der Zwischenzeit ordne ich meinen anderen Krempel, genieße die Morgensonne auf dem See und frühstücke in Ruhe.

eigentlich sollte es da durch gehen…

Um 08:15 – also quasi Mittags – geht es dann los. Erst noch ein Stück auf dem Schotterweg, dann biege ich ab in den Waldweg, den ich gestern „gefunden“ habe. Der Pfad ist viel besser als erwartet. Obwohl auf der Karte nur zart hellgrau gepunktet, ist die Strecke gut begehbar. Ich muss ab und zu die Richtung kontrollieren aber es gab auch schon „offizielle“ DNT-Strecken, die schlechter erkennbar waren. Irgendwann verliert sich dann aber der Pfad in einem Sumpf, ich bin aber kurz vor dem DNT-Trail von Tynset in Richtung Knausen-Hütte, also Machete raus und durchschlagen.

Was mich heute allerdings wahnsinnig macht, sind Milliarden von – nein, keine Mücken – Fliegen!! Ein dichter Schwarm zieht beständig hinter mir her und umschwirrt meinen Kopf. Ich kann nur mit geschlossenem Mund durch die Nase atmen, sonst werde ich ständig mit knusprigen Protein-Snacks versorgt. Ist bei der Verpflegungslage aber ja garnicht nötig! (Ich könnte ja auch das Mückennetz aus dem Rucksack kramen…) Was mir halt sehr zu denken gibt ist die Tatsache, dass ich für die Fliegen offensichtlich viel interessanter bin als die haufenweise rumliegende Kuh- und Schafscheisse… Dabei ist mein Bad im See doch garnicht lange her und geduscht habe ich auch erst vor zwei Tagen. Zu allem Überfluss sind auch Exemplare dabei, die mich stark an die Black Flys in Alaska erinnern… und die sehen nicht nur so aus, die stechen auch genauso! (Liebe Grüße an Dietmar und Marlies!)

manchmal sind die Markierungen wahre Kunstwerke

Ich stoße dann auf den richtigen Trail und bin aus dem Unterholz raus, aber die Fliegenschwärme verfolgen mich weiter und lassen sich nicht abhängen. Selbst wenn der Wind auffrischt bleiben sie hartnäckig an mir dran. Gut das ich nicht mehr ständig stehen bleiben muss, der Weg ist nun gut erkennbar und wohl auch grade frisch markiert und führt quer durch das Grønfjell und über die Oppmåshøa.

Grønfjellet
Hmm… nicht wirklich hilfreich

Die Knausen-Hytta liegt aber im Tal und die letzten Kilometer gehen extrem steil abwärts. Ich freue mich schon darauf, auf der anderen Seite wieder hoch zu steigen…

Die Knausen-Hütte

Die Hütte liegt zwar nicht ganz auf meinem Weg, aber ich möchte dort die Mittagsrast einlegen und außerdem will ich sie einfach sehen. Dort angekommen ist die Hütte zwar verschlossen, aber es stehen vier Paar Wanderschuhe vor der Tür und auch innen ist die Hütte sehr bewohnt. Jedenfalls scheint es kein freies Bett zu geben. Nun, mich kümmert es nicht. Ich gehe zum Bach, wasche mein Shirt aus (vielleicht hilft es gegen die Fliegen) und setze mich dann auf die Veranda um zu essen. Der weitere Weg sollte genauso leicht von der Hand gehen. Bis zur Raudsjødalen sind es noch gut 15 km, ich rechne also mit ca. vier Stunden.

Hab ich gedacht…! Das es nach der Knausenhütte bergauf geht war mir klar. Nicht klar war mir, dass der Pfad senkrecht nach oben führt! Der Treppe der Rui-Schwestern in Rjukan ist ein Witz dagegen. Ich komme hier wirklich an meine Grenzen, und dazu diese blöden Fliegen-Viecher. Auf halber Strecke treffe ich auf eine Gruppe Norweger, die gemütlich herumsitzen und mir entgegen grinsen. Wahrscheinlich haben sie mein Keuchen schon aus 100 m Entfernung gehört. Die Sechs sind vom DNT und campieren unten in der Knausenhütte. Die Markierungen der Wege werden erneuert und im Weg liegendes Totholz entfernt, soweit das möglich ist. Daher also die gut sichtbaren und noch glänzenden T‘s auf der Route. Da ich den Trupp ja nun überhole muss ich wohl besonders auf die alten Zeichen achten, aber der Pfad ist gut ausgetreten.

manchmal muss man schon genau hinsehen

Ich kämpfe mich weiter bergauf und lasse mir dabei viel Zeit. Es heißt ja „je langsamer Du gehst, desto schneller kommst Du voran“…! Bullshit! Das mag bei Mindset-Workshops gelten (liebe Grüße Nina!), auf einer Wanderung trifft das definitiv nicht zu. Ich bin sooo langsam gelaufen, dass ich für etwas über 2 km und knapp 700 Höhenmeter fast 2,5 Stunden gebraucht habe.

v. l. Kvitkuven, Langkletten, Storsteinen

Die Belohnung ist dann die Aussicht (ja, schon wieder ein Panoramafoto…) und der Rest des Weges ist wieder einfacher. Zwischendurch führte er quer über eine „bewohnte“ Kuhweide, die jungen Tiere waren sehr neugierig. Ich habe ein kurzes Foto gemacht, aber dann wollten die anderen auch alle mit drauf… mir sind dann ca. 30-40 Kühe gefolgt. Ich habe schon überlegt, wie ich den Leuten am Nordkap erklären soll was die Kuhherde dort zu suchen hat, und auf das Schiff zurück können die ja auch nicht alle… nach einer guten halben Stunde haben die Tiere dann aber wohl gemerkt, dass ich sie nicht zum Stall führe und das es auch keine Fotos mehr gibt und sind zurück geblieben. Ein bisschen erleichtert war ich ja schon.

Die letzten Kilometer ziehen sich wie Kaugummi, aber irgendwann kommt dann die Raudsjødalen in Sicht und ich freue mich auf Pfannkuchen, Eistee und Dosenfrüchte. Leider ist nichts davon mehr im Vorrat und so bleibt es bei meiner Tütensuppe mit CousCous und Gurke. Ich erinnere mich, dass das DNT-Team morgen hierher kommt, da werden dann wohl auch die Vorräte aufgefüllt. Schade. Aber morgen komme ich an der Ellefsplass-Unterkunft vorbei, vielleicht gibt es dort ja Pfannkuchen.

Fazit: wenn du schneller ankommen willst, muss du schneller laufen. DAS ist eine wahre Aussage und passt wunderbar zu „Ist dir kalt bist du zu langsam“