16,02 km – 06:51 h

Was für blöde Schafe! Na ja, die Schäferhütte neben mir steht ja wohl nicht ohne Grund hier, aber warum die ganze Herde sich morgens um halb drei hier versammeln muss soll mir mal einer erklären! Das nervtötende Glockengebimmel ist ja schon schlimm, aber Besuch in meiner Apside… das geht zu weit! Ich schreie das Schaf aus vollem Halse an und muss dann doch lachen, als das arme Tier fast einen Salto rückwärts macht.

Der Blick aus dem Zelt lässt mich aber auch aus einem zweiten Grund schnell wieder umdrehen. Die Wolken (oder Nebel?) hängen bis auf die Oberfläche des Sees. Ich denke lieber noch nicht darüber nach, was das für meine heutige Tour bedeutet und gehe einfach mal fest davon aus, dass in drei, vier Stunden mit Sicherheit die Sonne am blauen Himmel lacht (immer positiv denken!). Das Einschlafen fällt mir jetzt, schwer, schließlich lag ich gestern um 18:00 Uhr bereits im Schlafsack, und so döse ich nur vor mich hin, bis ich mich um fünf entscheide den Tag beginnen zu lassen.

Leider hat das positive Denken nicht viel geholfen, aber immerhin regnet es grade nicht. Das hat es im Laufe der Nacht nämlich sehr wohl und sehr heftig getan. Also ist wieder die gestern schon geübte Einpackakrobatik angesagt. Was die Sache heute nur noch unangenehmer macht ist der Umstand, dass sich offenbar alle Mücken der Rondane mein Zelt als Regenunterstand ausgesucht haben. Noch im Innenzelt bade ich erst in Autan bevor ich schnell die Apside öffne, das Innenzelt halb aushänge und versuche die lästigen Ungeheuer mit meinem Handtuch raus zu wedeln. Das klappt nur so semi-gut, weil die Mücken fast alle am klitschnassen Innenzelt kleben bleiben… Aber es hilft ja nichts, ich nehme meinen Mut zusammen und krieche so schnell wie möglich raus. An der frischen Luft weht ein kräftiger Morgenwind, da ist es also gar nicht so schlimm mit der Mückenpest. Das Zelt verpacke ich wieder getrennt in Einzelteilen und versuche so gut es geht die Mückenleichen heraus zu schütteln. Trocknen muss alles heute Nachmittag auf dem Skogli-Camping. Notfalls miete ich mir für eine Nacht eine Hütte.

Aber noch bin ich nicht dort! Da ich heute nicht mehr dem roten T folge muss ich mich wieder etwas mehr auf die Navigation konzentrieren und leider gibt es auch keine DNT-Brücken über die Flüsse! Eine halbe Stunde nach Aufbruch heißt es also dann auch Schuhe aus und den Fluss furten. Durch die Breite ist die Strömung relativ behäbig, die Wassertiefe reicht aber bis über die Knie. Es gibt eine kurze Schrecksekunde als ich auf den glatten Steinen den Halt verliere, aber alle geht gut! So ein morgendliches Bad hätte auch nicht in meinen Tagesplan gepasst.

Für ein Frühstück war es heute früh zu ungemütlich, jetzt lichtet sich langsam die Wolkendecke und ab und zu schaut die Sonne durch. Also gibt es die erste ordentliche Frühstückspause an der Vuludalsbu. Die Hütte gehört nicht zu den DNT-Einrichtungen, also gehe ich davon aus, dass sie verschlossen ist, einen netten Sitzplatz, vielleicht sogar einen Tisch wird es aber hoffentlich geben. Genauso ist es dann auch. Die kleine Steinhütte ist verschlossen, ich kann aber am Tisch auf der Bank sitzen und gemütlich im Sonnenschein frühstücken.

Erst als ich weiter will und auf mein Garmin schaue bemerke ich, dass dies garnicht die Vuludalsbu ist… Also wieder mal auf dem Holzweg gewesen! Aber trotzdem war es ein netter Rastplatz. Die Hütte, die ich eigentlich suche, liegt recht versteckt etwas ab vom Pfad. Man muss sie schon finden wollen, sonst läuft man einfach vorbei. Einen kurzen Besuch will ich der Hütte schon abstatten um zu sehen, was es damit auf sich hat. Erstaunt bin ich, als ich die Hütte erreiche und diese unverschlossen und sogar belegt ist. Eine Frau und zwei junge Männer sitzen dort beim Frühstück zusammen. Wie sich herausstellt sind es drei Betreuer (Lehrer?), die mit der 9. Klasse eines internationalen (schweizer?) Internats eine Art Outdoor-Klassenfahrt machen. Das gehört zu einem speziellen pädagogischen Konzept dieser Einrichtung. Die Kinder müssen unter anderem als Gruppe 24 Stunden auf sich allein gestellt den Tag verbringen, also den richtigen Weg mit Kompass und Karte finden, ein Lager errichten usw. Ein anderer Bestandteil der Fahrt ist es, mit wenig Verpflegung und ohne Zelt ganz alleine, jeder für sich, einen Tag zu verbringen. Kling spannend, aber meine Pause habe ich ja schon hinter mir und die drei müssen die Hütte aufräumen und ihre Schützlinge wiederfinden. Also ziehe ich nach dem netten Gespräch wieder los. Ein paar hundert Meter weiter stoße ich dann auf die Jugendlichen. Auch dort eine kurze Unterhaltung über das Woher und Wohin. Als mir herausrutscht, dass ich die Betreuer der Gruppe eben in einer Hütte mit Betten, Küche und Toilette getroffen habe, ist die Empörung bei den Kids groß… da habe ich mich wohl verplappert!

Die Vuludalsbu ist übrigens unverschlossen und kann genutzt werden, einen Proviantraum gibt es allerdings nicht!

Ab der Hütte folge ich einer Fahrspur bis nach Skogli. Die Sonne scheint wieder warm und ich freue mich auf den Campingplatz. Den erreiche ich schon zur Mittagszeit. Irgendwie fühlt es sich immer noch nicht richtig an die Tour nach so kurzer Zeit schon wieder zu beenden… nur 17 km heute! Aber was soll’s? Ich habe ja die Zeit und außerdem bleibt die Wetterprognose hartnäckig dabei, dass es ab 14:00 Uhr heftigen Regen und Gewitter geben wird. Noch scheint zwar die Sonne aber ich checke trotzdem ein und baue mein Zelt direkt neben einem überdachten Sitzplatz auf.

Dort sitze ich dann auch mit einem Becher Kaffee und schaue mir die Neuankömmlinge an. Der Himmel zieht sich nun rasch zu und es sieht so aus, als behielte die Wetterprognose Recht. Ich bin nun doch froh, dass ich hier notfalls Schutz und ein Dach über dem Kopf habe. Am frühen Nachmittag kommt ein Pärchen mit Dachzelt an. Die beiden denken scheinbar genau wie ich und stellen sich in die Nähe des Shelters, viel Platz hat man zu zweit in einem Dachzelt ja auch nicht. Als die beiden dann mit Getränken, einer Tüte Chips und einem Spiel den Tisch neben mir besetzen kommen wir schnell ins Gespräch und so lerne ich Apollon und seine Partnerin Simone kennen. Beide wohnen in der Schweiz in Zug und machen ihren ersten Norwegenurlaub. Sechs Wochen lang wollen sie Land und Leute kennenlernen. Bald klärt sich der Vorname Apollons, er ist gebürtiger Grieche, lebt und arbeitet aber schon immer in der Schweiz. Sein Großvater war Olivenbauer und Apollon hat vor einigen Jahren angefangen die Olivenbäume seiner Familie zu suchen, per GPS zu kartographieren und einmal im Jahr kehrt er nach Griechenland zurück, um die Oliven zu ernten und sein eigenes Öl zu pressen. Es ist nämlich nicht so, dass einer Familie dort eine ganze Olivenplantage mit zigtausend Bäumen gehört, sonder mal stehen sechs in einer Reihe, dann, 200 Meter weiter, stehen wieder drei, dann fährt man zwanzig Minuten bis zu den nächten acht Bäumen… alle Bäume haben Nummern, die nur testamentarisch festgehalten sind. Wenn der Besitzer dies nicht tut und seinem Nachfolger den Standort jedes einzelnen Baumes nicht zeigt, geht der Besitzanspruch verloren, weil er nicht belegt werden kann. Erst seit einigen Jahren wird in Griechenland mit unglaublichem Aufwand eine Art Grundstückskataster eingeführt um wenigstens Landflächen genau zuordnen zu können. Das führt dann wieder dazu, dass die Bäume des Einen auf dem Land des Anderen stehen… eine sehr skurrile Geschichte wie ich finde. Wir essen gemeinsam und als Simone meine Trekkingtüte sieht, werde ich sofort eingeladen zu Süsskartoffel-Möhren-Pfanne und frischem Salat – natürlich mit bestem Olivenöl. Bis in den späten Abend sitzen wir zusammen und erzählen, während der Regen nun schon seit Stunden vom Himmel fällt. Ich hoffe sehr, dass morgen dann auch , wie versprochen, die Sonne scheint und ich vor meinem Aufbruch Zelt und Schlafsack wieder trocknen kann.

Fazit: ein Tag mit vielen unverhofften Begegnungen – das ist es, was die Reise zu etwas Besonderem macht.