22,98 km – 07:30 h

… wenn man nachts um zwei zufällig raus muss…

Ich fühle mich in meinem Zelt heute morgen so wohl, dass ich überhaupt nicht los will. Aber mich treibt ja auch keiner. Die Reststrecke bis Vinstra sollte gut gehbar sein, die letzte 6 km sind ja auch wieder Straße… ist halt so wenn man in Stadtnähe ist. Ich lasse mir viel Zeit beim Outdoor-Frühstück, packe sorgfältig meine paar Habseligkeiten zusammen. Das dauert dann heute auch mal gerne gute zwei Stunden. Das Zelt ist diesmal nicht nass, ich hatte aber auch die Apside offen und es hat ordentlich Wind gegeben in der Nacht. Einen ernsthaften Regentest musste es ja noch nicht bestehen.

Nothütte? oder Hütte in Not?

Nach den ersten Metern stoße ich gleich auf eine kleine, etwas heruntergekommene Hütte… bei richtig fiesem Wetter hätte das eine Übernachtungsalternative sein können. So bin ich froh, dass ich die nicht gebraucht habe. Immerhin gibts Feuerholz, einen Ofen, Anzünder und ein Hüttenbuch. Einen kurzen Gruß hinterlasse ich natürlich bevor ich weiter ziehe.

zum Aufwärmen oder Sachen trocken durchaus ok
… gleich mit genauen Standortkoordinaten…

Ich folge, wie gestern, dem markierten Weg und versuche ein paar Schleifen über alternative Trails abzukürzen… aber die DNT-Wegeführung hat schon einen Grund! Was ich an Kilometern abkürze, hänge ich zeitlich doppelt dran, weil sich der Pfad immer wieder im Nichts verliert und extrem matschig ist. Warum einfach wenn man es kompliziert haben kann?

da ist doch der Weg!

Das Laufen fällt mir heute recht leicht und gut gelaunt fresse ich die Kilometer. Es gibt eine kurze Pause, mückenbedingt reicht es grade für eine Handvoll Nüsse und einen Schluck Wasser. Immer wieder höre ich Gewittergrummeln in meinem Rücken und als die ersten Tropfen fallen ziehe ich schnell meine Regensachen an – zehn Minuten später dann wieder aus – das Gewitter hat es sich wohl anders überlegt. Dieses Spielchen spielen wir heute insgesamt dreimal!! Es fängt mit dicken Tropfen an zu regnen, dunkle Wolken am Himmel, aber sobald ich die Regensachen an habe bricht die Sonne wieder durch…

Familie McLeod macht auch Urlaub in Norwegen!

Passend zur Mittagszeit finde ich eine schöne Stelle am Seeufer und wegen des Windes gibt es auch kein Mückenproblem. Das kalte Wasser reizt ja, aber für ein Bad ist mir hier zu viel Publikumsverkehr.

Noch ein kurzes Stück durch den Wald, dann beginnt der Endspurt nach Vinstra auf der E6… und es fängt wieder an zu regnen – diesmal ernsthaft! Und nachdem ich schon relativ nass bin lasse ich mich davon überzeugen Raincover und Regenjacke zum vierten Mal überzustreifen.

in der Jacke sehen mich auch die Autofahrer besser.

Jetzt werde ich auch häufig nett von den vorbei fahrenden Autofahrern gegrüßt. Entweder wegen der auffällig roten Farbe oder aus Mitleid…!? Bei Regen bergab auf der Straße, mit gut gepacktem Rucksack, fühlt sich fast an wie fliegen. Nicht lange und ich erreiche die ersten Häuser von Vinstra, gleich am Ortseingang gibt es alle Supermärkte die Norwegen zu bieten hat, einen großen Circle K (dort werden keine Gaskartuschen verkauft! – falls jemand zufällig an einem Sonntag hier eine benötigt…), und einen Sport 1.

Ich habe nun doch das Hostel in Vinstra gebucht, sogar für zwei Nächte, aber zum Check In habe ich noch eine Stunde Zeit, also erledige ich gleich die notwendigen Einkäufe um das Wochenende und die nächsten Etappen bis Alvdal zu überleben. Danach wiegt der Rucksack gleich zehn Kilo mehr und ich schleppe noch eine Tüte mit… gut das ich weiß, dass die Hälfte des Gewichts in zwei Tagen „vernichtet“ ist.

Das Hostel liegt zentral im Ort und ist schnell gefunden. Eine Rezeption gibt es nicht, der Check In läuft völlig kontaktlos mit Zugangscodes für Eingangs- und Zimmertür. Das Zimmer ist hell und freundlich, es gibt eine kleine (!) Gemeinschaftsküche mit drei Sitzplätzen, zwei Etagenduschen… tja das war‘s. Für den Preis hätte man bei uns ein gutes 3-Sterne-Hotel mit Frühstück bekommen.

Nach einer sehr, sehr ausgiebigen Dusche inkl. Waschgang für die getragenen Klamotten gibt es dann einen fantastischen Thunfischsalat mit Schafskäse und Oliven. Die Gier nach frischen Lebensmitteln wird definitiv größer (obwohl auch die meisten Trekking-Tüten durchaus essbar sind).

Den Abend verbringe ich gemütlich mit einer Tafel Smash (!) und einem kalten Bier. Bisher bin ich wohl auch der einzige Gast hier…

In Vinstra dreht sich übrigens alles um Peer Gynt… ja, ich musste auch googeln. Peer Gynt ist ein Drama, 1867 von Henrik Ibsen geschrieben. Grundlage war für Ibsen das Leben von Peter Olsen Hågå, der bis 1785 auf einem Hof in der Nähe von Vinstra lebte. Darum wohl auch die Identifikation – es gibt den Peer-Gynt-Veien, das Peer-Gynt-Festival, ein Peer-Gynt-Hotel, eine P-G-Kneipe, den P-G-Bauernhof…

Mer dazu hier: https://de.m.wikipedia.org/wiki/Peer_Gynt

Fazit: Sonnenschein und gute Laune beschleunigen die Schritte genauso wie Regen und Asphaltstrassen.