28,52 km – 11:32 h

Nach einer ruhigen Nacht auf meiner Kiefernlichtung werde ich bei Sonnenaufgang durch eine Schafherde geweckt, die ganz in meiner Nähe den Tag mit Geblöke und Glockengebimmel begrüßt. Ich bleibe noch ein paar Minuten liegen, dann muss ich dringend raus und bin überrascht, als ich aus dem Zelt krieche. Nicht, wie gewöhnlich, lacht mich die Sonne an, sondern der Himmel ist zugezogen und bewölkt. Ja es fällt sogar ganz feiner Nieselregen, den ich aber erst bemerke als ich das Zelt abbaue. Ich habe mir angewöhnt das Kondenswasser am Aussenzelt so gut es geht abzureiben. Solange ich abends bei trockenem Wetter wieder aufbauen kann ist alles gut, dann trocknet die Restfeuchte schnell ab. Frühstücken werde ich wieder unterwegs, wenn ich einen schönen Platz gefunden habe.

Kurz nach meinem Aufbruch mache ich Bekanntschaft mit eine großen, roten Fuchs, wie aus dem Bilderbuch. Er steht auf dem Weg und fragt sich, was der Typ mit dem großen Rucksack hier so früh zu suchen hat. Für ein Foto ist er dann aber zu schnell verschwunden. Der Weg führt mich anfangs durch eine kleine Siedlung, die wunderschön am Hang gelegen ist und über den Mellsenn-See auf die Ausläufer Jotunheimens blickt. Die Strecke ist leicht zu laufen, allerdings extrem staubig. Die zwei, drei Autos, die mir entgegen kommen ziehen riesige Staubfahnen hinter sich her, und da es fast windstill ist, bleiben die ewig in der Luft hängen. Nach einer Weile soll ich auf einen schmalen Wanderweg abbiegen, der aber leider nicht existiert. Wieder ein Komoot-Fake-Weg? Ich kontrolliere mein Garmin, aber nein, auch hier wird mir ein Pfad angezeigt.

Also gehe ich der theoretischen Wegführung nach und hoffe, dass sich der Pfad bald zeigt. Das tut er dann auch tatsächlich, ist aber extrem durch Totholz und umgestürzte Bäume blockiert, so das ich mehr klettere als laufe. Es ist einfach unglaublich anstrengend und ich bin vollständig durchgeschwitzt. Ich stoße schließlich auf einen kleinen See und kurzerhand gibt es hier die große Pause.

Klamotten runter und rein ins Wasser

Es ist herrlich erfrischend und hebt meine Laune schlagartig wieder auf volle 100%. Leider hält die Erfrischung nicht lange vor, weil es nun wieder ordentlich bergauf geht in das Kjølaåne Naturreservat. Stetig und steil, allerdings wieder auf befestigten Wegen – eine echte Erleichterung nach der Dschungelexpedition. Auf dem Hochplateau angekommen, geht die Suche nach dem richtigen Weg von vorne los. Es kann doch nicht wahr sein, dass heute die angegebenen Wanderpfade alle nicht existieren? Der gesuchte Trail ist einfach nicht vorhanden, auch nachdem ich mehrere 100 Meter in beiden Richtungen absuche, kann ich den Einstieg nicht finden. Was bleibt mir also anderes übrig als wieder der Nase nach, off-road durch die sumpfige Ebene zu laufen? Die Richtung ist relativ einfach: nach Norden halt.

ein Wegweiser im Nirgendwo

Das ich heute einen anstrengenden Weg vor mir habe war mir klar, aber dieses weglose Suchen nach Anhaltspunkten und Landmarken kostet unglaublich viel Zeit. Schritt für Schritt komme ich aber meinem Ziel näher und siehe da, wie aus dem Nichts taucht plötzlich auf einem Steinhaufen das kleine rote T wieder auf.

Super, denke ich, dann ist das Schlimmste ja vorbei! Ein Blick auf das Navi zeigt mir, dass ich mich tatsächlich auf dem Wanderweg befinde und noch knapp 12 km vor mir liegen. Ich rechne mit weiteren drei Stunden laufen – weit gefehlt! Ich weiß nicht, ob es an meiner Müdigkeit oder an schlechten Markierungen liegt, aber ich verliere den Pfad noch ungefähr sechs mal und muss mich immer wieder streckenweise durch hüfthohes Wacholdergestrüpp (?), sumpfige Wiesen ( das Wasser läuft mir fast von oben in die Schuhe, bin aber zu faul um die Gamaschen anzuziehen) oder durch dicke, von Moos überwachsenen Steinfelder schlagen. Trotz einiger Wolken brennt die Sonne in dieser schattenlosen Gegend. Da ich meinen Wasservorrat wegen des Gewichtes heute knapp gehalten habe, nutze ich jedes fließende Rinnsal um einen Schluck zu trinken. Ich bin wirklich erschöpft und meine Laune sinkt wieder dem Nullpunkt entgegen. Trotzdem schlage ich mich weiter durch und gefühlte Stunden später und nach tausenden Blicken auf mein Garmin komme ich meine Ziel näher.

… dahinten muss es doch sein…

Irgendwann sehe ist sie dann tatsächlich! Die Storeskag-Hütte. Wie ich aus dem Hüttenverzeichnis des DNT weiß, ist es eine ganz neu erbaute Unterkunft und wenn sie wirklich hält was sie verspricht mache ich dort nach dem heutige Tag und den beiden letzten 30km-Etappen einen Tag Pause.

Na zu viel versprochen hat der DNT jedenfalls nicht! Mit den Kräften so ziemlich am Ende, aber glücklich mein Ziel erreicht zu haben, schaue ich mich um, plündere die Vorratskammer (eine Dose Pfirsiche, ein paar Kräcker mit Leverpostei und Makrelen in Tomatensauce, dazu einen Becher Trinkschokolade). Am Bach hinter der Hütte hole ich Trinkwasser und mache mich erstmal frisch. Dann werden die Beine hochgelegt! Was ich morgen mache weiß ich auch schon: Gar nichts!!

Fazit: Wenn ich ein realistisches Ziel vor Augen habe kann ich es auch erreichen, egal wie schwierig der Weg dorthin ist.