28,68 km – 07:56 h

Es ist nicht ganz so kalt wie gestern, das merke ich sofort an meiner Nasenspitze, als ich heute Morgen aufwache. Ich schätze, draußen sind es circa 4-6 °C. Wieder sind Außenzelt und Innenzelt klamm und feucht von Kondenswasser, nur heute eben nicht gefroren. Als ich das erste Mal aus dem Zelt krieche ist der Himmel etwas bewölkt, aber die Sonne scheint schon am Horizont aufzusteigen. Es ist noch früh, also kuschle ich mich noch einmal in den warmen Schlafsack und nehme meine Oberteile zum Wandern auch wieder mit rein, damit sie gleich, wenn ich mich anziehe, nicht so eiskalt sind.

Eine Stunde später kann ich mich endlich aufraffen, den Tag zu beginnen. Wie immer fange ich damit an Kaffee zu kochen, aber als ich diesmal das Außenzelt öffne, schaue ich in eine undurchdringliche Nebelsuppe. Wo bitte kommt der Nebel denn jetzt her? War nicht auch für heute sonniges Wetter angesagt? Sobald das Wasser kocht, schließe ich den Zelteingang wieder, damit nicht noch mehr Feuchtigkeit herein zieht. Mit dem Frühstück lasse ich mir wieder Zeit. Es zieht mich gerade überhaupt nichts nach draußen.

Aber irgendwann muss der Tag ja beginnen. Da ich gestern etwas „vorgelaufen“ bin, bleibe ich heute unterhalb der 30 km Marke. Ich könnte sogar einen kurzen Tag einlegen, aber für heute habe ich mir die Bastingamme als Ziel gesetzt. Die kleine Schutzhütte soll angeblich für alle Wanderer offen sein. Ich erwarte nicht besonders viel von der Gamme, denn alle, die ich auf meiner Tour bisher gesehen habe, waren runtergekommen und vermüllt.

Um 7:15 Uhr wage ich mich hinaus in den feucht kalten Nebel und brauche tatsächlich eine Viertelstunde, um sicher zu sein, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Es gibt keinen sichtbaren Pfad, sondern ich muss mich von Wegmarke zu Wegmarke hangeln. Keine ganz leichte Aufgabe, wenn man nur 10 m weit sehen kann.

Erst gute 3 Stunden später kann sich die Sonne gegen den Nebel durchsetzen. Jetzt ist der Himmel blau, die Sonne scheint, es ist kalt und klar. Alles könnte so schön sein, wenn ich mich nicht wieder durch Matsch und Sumpf kämpfen müsste. Eigentlich habe ich gedacht, dass ich mit diesem Thema durch bin, aber scheinbar soll ich kurz vor Ende meiner Reise noch einmal in den Genuss nasser Füße kommen. So gut es geht, weiche ich den schlimmsten Stellen aus, springe von Grashügel zu Grashügel und habe trotzdem nach einer halben Stunde nasse Schuhe. Hoffentlich gibt es in der Schutzhütte ein Ofen und Holz.

Jetzt, wo sich der Nebel gelichtet hat, kann ich auch die Landschaft des Stabbursdalen Nationalparks bewundern.

Trotz des Geländes und schlechter Laune wegen der sumpfigen Stellen komme ich gut voran. Ich kreuze mehrere Bäche, aber nur einmal muss ich meine Schuhe tauschen. Am letzten Bach vor meinem Zielort fülle ich meine Wasserflaschen auf. Laut Karte gibt es in der Nähe der Schutzhütte keinen Wasserlauf.

Die Bastingamme erreiche ich um 15:00 Uhr. Schon von weitem sehe ich, dass meine Erwartungen diesmal übertroffen werden. Ich stehe vor einem kleinen torfgedeckten Hügelhaus. Hier scheint gerade erst saniert worden zu sein. Sowohl von außen als auch von innen macht die Gamme einen aufgeräumten und sehr gemütlichen Eindruck.

Es gibt einen Kanister mit Wasser, einen Ofen und genügend vorbereitetes Brennholz. Neben der Hütte sind Sägebock, Hackklotz so wie die notwendigen Werkzeuge bereit gelegt. Voller Freude über diese unerwartete Gelegenheit ziehe ich in die Hütte ein. Schon nach kurzer Zeit trocknen meine Socken, Schuhe und die übrigen Klamotten über dem Ofen. Auch das Zelt baue ich im Sonnenschein auf, so trocknet es am schnellsten. Dann gibt es einen süßen Tee und dazu Schokoladenkekse.

In dem Hüttenbuch lese ich Grüße von Daina und Philipp. Obwohl Daina einen Tag eher aus Altar aufgebrochen ist, hat Phillip sie hier eingeholt. Beide Einträge sind von gestern. Philipp hat geschrieben, dass er hier aus der Hütte gestern Nacht Nordlichter beobachtet hat. Habe ich wirklich wieder alles verschlafen? Obwohl der Himmel jetzt, am frühen Abend, wieder bewölkt ist, werde ich mir auch heute Nacht den Wecker stellen. Irgendwann muss es doch klappen!

Fazit: als ich die Zeilen von Philipp lese, fällt mir wieder die Geschichte ein, die er während unserer gemeinsamen Wanderung durch die Nábárebene erzählt hat:

Eine alte Sami-Großmutter spricht abends am Feuer zu ihrer Enkelin: „Ich trage zwei Wölfe in mir. Einen der mutig ist, selbstbewusst und stolz, der für das Gute kämpft, positiv nach vorne schaut und für Gerechtigkeit sorgt. Und einen anderen, der verschlagen ist und listig, der den Anderen ihr Habe missgönnt und nur das Schlechte auf der Welt sieht. Seit meiner Geburt sind diese beiden Wölfe miteinander am kämpfen.

Die Enkelin fragt: „Und welcher der beiden Wölfe gewinnt den Kampf?“

Die Antwort der alten Frau: „Der, den ich füttere!“