32,45 km – 07:39 h

Die letzten Tage langsam angehen lassen, nicht weiter als notwendig laufen, das Ende der Reise genießen. Das war der Plan. Ganz offensichtlich wollte mir heute Morgen jemand deutlich sagen, dass ich nicht anfangen soll zu trödeln. Der heutige Blick aus meinem Zelt am frühen Morgen macht mir klar, dass wir bereits die 2. September Hälfte ansteuern, und jeden Tag der Winter einbrechen kann.

Die Landschaft ist übersät mit blitzenden Eiskristallen, mein Zelt weiß gefroren. Schon in der Nacht habe ich gemerkt, dass es ungewöhnlich kalt wird. Das Kondenswasser gefriert an der Innenseite des Außenzeltes und immer wenn ich draußen nach Polarlichter schaue, fällt feiner, weißer Schnee ins Zelt. Selbst bei geschlossenen Außenzelt und in den dicken Schlafsack ein gekuschelt kondensiert mein Atem. Alles ist klamm und feucht, bei diesen Temperaturunterschieden versagt selbst die beste Lüftung.

Draußen ist es eiskalt, die Luft klar und der Himmel blau. Trotzdem traue ich mich nicht aus dem warmen Schlafsack und bleibe bis kurz nach 6:00 Uhr liegen in der Hoffnung, dass die Sonne endlich über die Berghügel steigt und das Zelt trocknet. Das tut sie auch, aber leider bleibt das Zelt gefroren. Also überwinde ich mich, frühstücke wieder heißes Müsli und tausche den warmen Schlafsack gegen die eiskalten Wanderklamotten. Beim Zeltabbau merke ich, dass das gefrorene Wasser auf und im Zelt gar nicht unpraktisch ist. Ich kann den ganzen Raureif fast rückstandsfrei ab schütteln und das Zelt nahezu trocken einpacken.

Ich erinnere mich wieder an Silvios Worte: „wenn dir zu kalt ist, bist du zu langsam“. Diesmal hat er Satz aber eine besondere Ernsthaftigkeit. Heute benötige ich das erste Mal wirklich die Handschuhe und die Wollmütze. Trotzdem muss ich einen ordentlichen Zahn zulegen, um mich langsam warm zu laufen. Ich folge der Quadspur den ganzen Vormittag durch das Hellefjellet. Gestern Abend sind noch einige Quads und Geländewagen auf dem Trail an meinem Zelt vorbeigefahren. Heute bemerke ich einige Schilder und sehe, dass dies eine offizielle Offroad-Strecke ist.

Ich laufe zügig vor mich hin, lasse den Gedanken freien Lauf und verpasse die erste Abzweigung auf eine Abkürzung ins Stabbursdalen. Für eine Umkehr ist es zu spät, also folge ich weiter dem Offroad-Trail und versuche mich nicht über die zusätzlichen 13 km zu ärgern. Um trotzdem in meinem Zeitplan zu bleiben muss ich aber die Kilometer heute und morgen wieder aufholen.

Meine Mittagspause…
NICHT meine Mittagspause!

Auch heute sehe ich die Messpunkte auf dem Struve-Meridian. Auf dem Bild sieht man die ersten Markierungen und links von dem eingefügten Strich kann man schwach die schnurgerade Weiterführung erkennen.

Moorhuhn-Jäger oder Glamping?

Meine Polarlicht-Jagd der letzten Nacht war übrigens völlig erfolglos. Ich habe zwar alle 2 Stunden den Kopf aus dem Zelt gesteckt (trotz der eiskalten Luft) konnte aber keinen Polarlichtschimmer entdecken. Laut Vorhersage soll auch heute eine gute Chance bestehen, das Phänomen beobachten zu können. Leider ziehen am Himmel aber langsam Wolken auf – ich glaube zwar nicht, dass ich heute Glück habe, der Wecker ist aber gestellt.

Ach ja: mit meinem Eintreffen in Alta habe ich die 2500 km Marke überschritten!

Fazit: an der klaren, kalten Luft und unter dem sonnigen blauen Himmel, lässt es sich hervorragend wandern. Der Temperatursturz in der letzten Nacht hat mir aber deutlich gezeigt, dass ich nicht mehr unendlich viel Zeit habe und aufpassen muss, dass mich der Winter nicht überrascht. Für ein paar kalte Nächte bin ich gut gerüstet, für tagelanges Wandern in dickem Schnee jedoch nicht. Ich werde sehen was mir das Wetter bringt, notfalls muss ein Plan B her wenn es tatsächlich zu einem frühen Wintereinbruch kommt. Aber: det ordne sei! Darüber kann ich mir Gedanken machen, wenn es soweit ist.