20,50 km – 05:32 h

Tag 113

Leise, ganz leise schleiche ich früh um 05:00 Uhr durch die Goldahytta und fühle mich wie ein Einbrecher… ich will ja die anderen Schläferinnen nicht aufwecken. Dumm nur, dass es kein Licht gibt. Ich habe mich noch immer nicht daran gewöhnt, dass es zu meiner Aufstehe-Zeit morgens jetzt noch dunkel ist. Auch das frühe Losgehen wird immer schwieriger, weil ich einfach die Wegmarkierungen noch nicht erkennen kann. Da werde ich meinen Rhythmus wohl bald umstellen müssen. Auch jetzt ist es noch sehr dunkel draußen und ich muss bis halb sieben warten – ist auch nicht so schlimm, es hat vorhin nämlich recht heftig geregnet. Als ich jetzt loslaufe ist es wenigstens von oben trocken. Meine gute Laune wird dann etwas getrübt als es doch wieder anfängt zu nieseln und ich die Regenklamotten überziehen muss. Dabei nervt mich nicht der Regen, sondern die Tatsache, dass ich innerhalb von Minuten wieder so nass geschwitzt bin, dass ich Regenjacke und – hose auch gleich hätte aus lassen können. Na was solls, ich habe ja gelernt gelassener zu werden…

Mein Weg ist heute recht spannend… glaube ich. Nach nur wenigen Kilometern komme ich zum Treriksrøysa! Für viele eines der Highlights auf einer NPL-Tour. Dies ist die Stelle, an der Norwegen, Finnland und Schweden sich an einem Punkt berühren. Erwartet habe ich einen besonderen Ort, gefunden habe ich einen gelben Beton-Pudding. Vielleicht ist es aber auch nur das Wetter… mag sein, dass dieser Ort bei Sonnenschein eine ganz andere Atmosphäre hat. Trotzdem laufe ich natürlich einmal um den Pudding und habe also in ca. 11 Sekunden drei Länder besucht.

Treriksrøysa

Nach dieser etwas ernüchternden „Sehenswürdigkeit“ laufe ich in Finnland weiter. Der Nordkalottavegen wird zum Kalottireitti und schlängelt sich an den Hängen des Iso-Malla Gihcibakti entlang, oft unterbrochen durch Geröllfelder aus Steinschlägen. Bald darauf wird der Weg einfacher und führt bergab zur E45, die sich scheinbar endlos die letzten 7 Kilometer in die Länge zieht. Auf dem steilen Abstieg hinunter zur Straße ist heute eine ganze Menge los. Viele Wanderer, einzeln oder in Gruppen kommen mir entgegen und viele Rentiere weiden seelenruhig am Wegrand. Die Tiere sind scheinbar an den Anblick der komischen Gestalten mit dem knallbunten Fell gewöhnt und kommen eher neugierig auf mich zu als das sie weglaufen.

Mein Pfad endet auf einem vollen Parkplatz, womit sich die Frage klärt, woher die ganzen Leute kommen. Nicht klar ist mir aber wohin sie gehen. Ist der Trerikrøysa doch so ein Touristenmagnet?

Ich habe auf der endlosen Straße Zeit darüber nachzudenken, bis ich endlich das Ferienressort Tundrea erreiche. Ich bekomme an der Rezeption den Schlüssel zu meiner Hütte und muss lachen, als ich vor der Unterkunft stehe. Ob ich hier wirklich mit samt dem Rucksack reinpasse?

Ja, es geht, ich habe sogar noch Platz mich hinzulegen. Komfortabel ist anders, aber ich weiß die Heizung und den Strom für meine Elektrogeräte zu schätzen.

Daina ist seit gestern hier und kommt grade vom Einkauf zurück. Praktischerweise liegt der Supermarkt und ein Sportgeschäft direkt gegenüber. Auch Max trudelt etwas später ein und nach einer dringend notwendigen Dusche treffe ich mich mit beiden im Restaurant zur Pizza.

Den Einkauf für die nächsten sieben Tage bis Alta habe ich vorher schon erledigt und die Wäsche ist ebenfalls gewaschen und hängt im Trockenschrank. Morgen habe ich also alle Zeit der Welt um mich um die Rückreise und eine Unterkunft in Alta zu kümmern. Den heutigen Abend lassen wir gemütlich im Restaurant ausklingen.

Tag 114 – Pausentag

Nach einer merkwürdig unruhigen Nacht bin ich ab 05:00 Uhr hellwach. Um die Zeit bis zum Frühstück zu nutzen gehe ich noch einmal die Tagesetappen bis zum Knivskjellodden durch und versuche die Daten nachzuvollziehen um ein Buchungsdatum für die Rückfahrt festlegen zu können. Ich möchte wirklich gerne die Reise mit einer Fahrt auf dem Postschiff der Hurtigruten beenden.

Um 08:00 Uhr bin ich mit Max zum Frühstück verabredet. Für nur 6,00€ erwartet uns ein Buffet, das keine Wünsche offen lässt. Von Lachs über Rührei bis Köttbullar zum Müsli ist wirklich alles da. Entsprechend lang fällt auch das Frühstück aus und wir bekommen den letzten Kaffee sogar an den Tisch (wohl ein Wink mit dem Zaunpfahl?). Gute drei Stunden sitzen wir zusammen und reden.

Anschließend kümmere ich mich um meine organisatorischen Dinge. Der Anruf bei den Hurtigruten bringt mich überhaupt nicht weiter. Ich hätte gerne einen Hinweis bekommen zu Auslastung und einen Tipp, wann ich spätestens buchen muss. Noch kann ich ja keine fixes Datum festlegen… Der nette Herr am anderen Ende der Leitung kann mir aber lediglich sagen, dass an meinem Wunschtermin kein Schiff fährt und die Tage vorher und nachher nur noch wenige von den günstigen Innenkabinen frei sind. Also gehe ich nochmal in die Planung und berücksichtige dabei ausreichend Zeitpuffer. Jetzt steht mein Start für die Rückreise fest: am 30.09. legt das Postschiff um 06:00 Uhr ab!

Mit einem sehr flauen Gefühl im Magen buche ich eine Kabine inklusive Abendessen. Das endgültige Ende meiner Reise ist nun fest fixiert! Und ich weiß nicht wie ich mich dabei fühlen soll. Noch steht die weglose Wanderung durch die Nábár-Ebene als letzte große Herausforderung auf dem Plan und ich „fühle“ das Ende überhaupt noch nicht. Gleichzeitig bin ich aber auch erleichtert, dass die Angelegenheit nun geklärt ist. Jetzt habe ich hoffentlich den Kopf frei um die letzten Wochen in vollen Zügen genießen zu können.

Meine Unterkunft in Alta kann ich auch klären. Ich habe Peter aus Alta angerufen um zu erfahren, ob er eine günstige Unterkunft empfehlen kann und habe prompt eine Einladung bekommen die zwei Nächte bei ihm zu verbringen. Darüber freue ich mich sehr und bin gespannt auf die neue Bekanntschaft.

Den Rest des Tages verbringe ich, wie üblich, auf dem Bett, im Supermarkt bzw. im Sportladen. Ein neues Wandershirt bekomme ich hier auch und das Alte wird wehmütig und mit einer Träne im Auge entsorgt. Wir haben so viel zusammen durchgeschwitzt… eh, durchgemacht meine ich.

Am Abend gibt es noch ein Bier am Lagerfeuer mit Max, Viktor und dem Schweizer Phillip. Ich habe extra ein Sixpack Bier gekauft, Max sogar acht, und hoffentlich müssen wir das nicht noch mittragen.

Fazit: ein Pausentag der mir in Erinnerung bleiben wird. Obwohl wir uns erst seit ein paar Tagen kennen bedeuten mir die Gespräche mit Max sehr viel. Ich glaube auf den restlichen Wandertagen habe ich eine Menge zum nachdenken. Wieder einmal empfinde ich die Bekanntschaften und Begegnungen als einen so wichtigen und wertvollen Bestandteil auf dieser Reise.

INFO: Ich habe die Reise mit den Hurtigruten sowohl über die deutsche als auch über die norwegische Internetseite angesehen. Eine Buchung auf der norwegischen Plattform ist für die Strecke Honningsvåg-Bergen mit Abendessen exakt 670,00€ günstiger!! Das gleiche gilt auch für die Fährüberfahrt von Oslo nach Kiel mit der Colorline.