25,52 km – 08:28 h

Erstaunlicherweise habe ich trotz der saunaähnlichen Temperaturen in der kleinen Hütte recht gut geschlafen. Der Ofen ist für den kleinen Raum völlig überdimensioniert und ich liege auch noch in der oberen Etage des Stockbettes. Auch die Schulklasse hat sich ab 21:00 Uhr recht ruhig verhalten, nur das Gerenne zum Klo und das Zuschlagen der Türen ließ unsere Wände vibrieren.

Da für den frühen Morgen noch Regen angesagt ist bleibe ich bis 07:00 Uhr im Bett, lese etwas und schlafe sogar zwischendurch wieder ein. Dann klingelt Dainas Wecker und der Tag darf beginnen. Wie immer mit Müsli und Kaffee, packen und etwas Holz für die nachfolgenden Gäste holen. Um 08:15 Uhr gehe ich los in den wolkenverhangenen Morgen. Irgendwie so überhaupt nicht meine Zeit und das Laufen fällt mir extrem schwer. Es mag am vollgepackten Rucksack liegen, aber ich vermute einfach mal, das ein Tag für eine vollständige Regeneration nicht mehr ausreicht. Ich glaube immer mehr, dass es gut wäre in Kilpisjärvi tatsächlich nochmal zwei ganze Pausentage einzulegen, bevor es durch die Nábár-Ebene in Richtung Alta geht. Gestern Abend habe ich bei dem Tundrea Holiday Resort eine der beiden ganz schlichten Hütten für zwei Nächte gebucht. Der Platz bietet ein Restaurant, liegt sehr zentral und – ganz wichtig – nur 500 Meter vom Supermarkt entfernt! Eine Nacht kostet in der Hütte 48,00€ inkl. Saunanutzung und Dusche. Ich freue mich schon wie ein Schneekönig auf Pizza, Burger, Bier und Sauna…

Erst einmal müssen mich meine müden Beine aber heute noch 25 km weiter tragen. Der Weg zur Gaskashytta ist nicht besonders anstrengend und führt überwiegend durch Wiesen und Birkenhaine. Viele nasse Abschnitte sind mit Planken überdeckt, die sind allerdings oft nicht im besten Zustand und durch den Regen der letzten Nacht sehr rutschig. Obwohl ich extrem vorsichtig laufe, mache ich zweimal unangenehme Bekanntschaft mit den sumpfigen Wiesenstücken.

Die Gaskashytta erreiche ich passend zur Mittagszeit und mache eine schöne Pause. Es ist mächtig was los hier. Einige Freiwillige des DNT sanieren grade die Haupthütte. Dort werden abgesackte Fundamente erneuert. Die kleinere Nebenhütte ist aber offen und sehr gemütlich. Ob hier heute jemand noch einen Schlafplatz bekommt ist fraglich, die DNT-Leute bleiben alle über Nacht, aber ich will ja nur kurz rasten.

Die Pause verbringe ich wieder in Gesellschaft von Daina, die mittlerweile auch angekommen ist. Nach zwei heißen Tassen Kaffee, Polarbrot mit Käse und Orangenmarmelade und einer handvoll Nüsse geht es dann weiter. Ich treffe auf Silke und auf Markus aus Osnabrück. Beide machen Kurztouren in Norwegen und sind erstaunt wieviel NPL‘er unterwegs sind. Sie haben Simone und Stefan vorgestern schon getroffen und wir wurden bereits angekündigt. Es wird erzählt und gefachsimpelt und wir verquatschen bestimmt eine halbe Stunde. Ich muss sagen, es tut dem eigenen Ego schon ein bisschen gut, wenn man so respektvolles Feedback zu der bisher erbrachten Leistung bekommt. Das macht mir wieder bewusst, wie weit ich eigentlich schon gekommen bin und der Zuspruch motiviert wieder weiter zu machen und das Laufen fällt ein klein wenig leichter.

Kurz darauf begegne ich einem Paar aus Wales. Auch hier wird wieder kurz Halt gemacht.

Der zweite Abschnitt heute wird dann recht anstrengend. Es geht erneut über ein Geröllfeld, aber anders als die großen Blockfelder besteht der Untergrund aus kleineren Steinen, die auch nicht unbedingt fest liegen. Hier drohen wieder Bänderrisse und ich bin vorsichtig und versuche konzentriert zu laufen.

Ohne Zwischenfall kann ich den Abschnitt queren und zur Belohnung halte ich nun Ausschau nach einem geeigneten Campspot. Auf der Karte habe ich mir eine Stelle an einem Fluss markiert, oberhalb eines Sees. Man weiß zwar nie wie die Realität vor Ort aussieht, aber heute habe ich wieder Glück und finde eine schöne ebene Stelle. Jetzt liege ich im Zelt, schreibe, esse meine 250g-Tafel Schokolade und freue mich, dass der Rucksack morgen leichter ist.

Fazit: nach wie vor bin ich begeistert von Norwegen und ich bin gespannt auf die neue Jahreszeit. Der Herbst hält langsam Einzug und die Fjell-Ebenen bekommen ganz neue Farbenkleider. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass mir die Leichtigkeit und Unbeschwertheit der letzten Wochen abhanden gekommen ist. Ich fokussiere mich immer mehr auf das Ziel, fühle mich voran getrieben und schaffe es nicht mehr den Augenblick bewusst zu genießen. Nicht nur Körper und Beine sind dauerhaft müde, auch mein Kopf hat Mühe alle Eindrücke wahrzunehmen und Wert zu schätzen. Vielleicht ist das nach über 100 Tagen aber auch normal. Ich bin hin und her gerissen zwischen dem Drang bald nach Hause zu kommen und der Tatsache, dass sich mein Abenteuer langsam aber sicher dem Ende nähert. Noch sind es vier bis fünf Wochen bis ich das Nordkap erreiche und ich will versuchen diese Zeit so intensiv wie möglich zu erleben. Außerdem fehlt auf meiner Checkliste noch der Haken hinter den Polarlichtern!