14,56 km – 04:30 h

Schon wieder bin ich gestern beim Schreiben des Blogs eingeschlafen und heute erst um viertel nach sechs aufgewacht. Das ist wirklich untypisch für mich und langsam glaube ich, dass ich mehr auf Regenerationstage achten muss. Der letzte Pausentag war in Sulitjelma vor einer Woche. Geplant war alle sieben Tage einen Pausentag einzulegen, andererseits möchte ich auch weiter kommen! Obwohl mein Ziel heute eigentlich die Caihnavaggihytta sein soll, werde ich an der Gautelishytta Halt machen. Das sind dann knapp 15 km statt 26 km. Also ein halber Pausentag – vorausgesetzt die Hütte gefällt mir.

Obwohl ich „spät dran“ bin lasse ich mir Zeit. Laut Wetterprognose von Vorgestern soll es gegen 08:00 Uhr aufhören zu regnen, außerdem kann ich mich einfach nicht überwinden die nassen Klamotten anzuziehen. Wenn mich mal jemand fragt, was das Unangenehmste auf der Tour war dann auf jedenfalls das Anziehen der nassen Kleidung und der nassen Schuhe. Aber es hilft ja nichts…

Der Weg ist heute nicht ganz einfach. Es geht über sumpfige Wiesen und immer wieder über moosige und rutschige Geröllabschnitte. Dazu kommt, dass die Wegmarkierungen recht spärlich sind und ich die kleinen Steintürmchen vor den anderen Felsen kaum erkennen kann. Ab und zu gibt es dann die Reste von verwitterten Farbmarkierungen.

Wegmarke oder Zufall?

Unterwegs treffe ich ein Niederländerin, etwa gute 60 Jahre alt und alleine auf der Nordkalottruta unterwegs. Eine kurze Unterhaltung, dann geht jeder seiner Wege. Die Info, dass mir auf dem Weg zur Caihnavaggi üble Block-und Geröllfelder bevorstehen, kannte ich bereits. Aber auch die Gautelishytta soll sehr schön und gemütlich sein. Na dann kann ich mich ja auf einen entspannten Nachmittag freuen. Aber erstmal dort ankommen! Das ständige auf und ab durch kleine Täler an den Seeufern zehrt an der Kondition, trotzdem bin ich gut gelaunt und komme recht gut vorwärts. Zwei Ausrutscher auf den glatten Felsen werden zwar blaue Flecke hinterlassen, sonst ist aber nichts passiert. Es hat mir nur mal wieder gezeigt, dass ich als Solowanderer doppelt aufpassen muss. Hoffentlich ist das Wetter trocken wenn ich das Blockfeld queren muss.

Sobald ich die Grenze wieder erreicht und norwegischen Boden unter den Füßen habe, hebt sich meine Stimmung weiter. Sofort sind auch die schönen, feuerwehrroten T-Markierungen zu sehen – viel schöner als das hässliche Orangerot auf der schwedischen Seite (ja, ich ärgere mich immer noch über die Abfuhr in der Hukejaurestugan).

Um 12:30 erreiche ich die Gautelishytta. Nass und kalt freue ich mich auf einen warmen Ofen und einen heißen Kaffee. Die drei Gebäude liegen direkt am See Gautelisvatnet und ich schaue natürlich in allen drei Gebäuden nach, ob jemand Vorräte hat liegen lassen. In der Haupthütte finde ich eine angebrochene Tube Thunfischpaste, das war’s leider. In der zweiten Hütte gibt es allerdings eine Überraschung. Neben einer zweiten Küche und zwei Betten befindet sich dort – eine SAUNA!!! Jetzt ist natürlich klar, dass ich auf jeden Fall hier bleibe und heute Abend ein paar schöne Saunagänge mit anschließendem Bad im See mache! Wie froh bin ich, endlich wieder in Norwegen zu sein.

Nun aber erst der Kaffee, dann wird das ganze nasse Zeug inklusive Zelt zum trocknen in der Hütte verteilt und es wird Zeit, dass ich mein Wandershirt flicke. Mal sehen, ob zweiseitig geklebtes Kinesiotape hält, sonst muss ich wohl nähen.

Um kurz nach drei bekomme ich Gesellschaft von vier Norwegern, die auf einer einwöchigen Tour durch Nordnorwegen sind. Jetzt wird’s unruhig und die Sauna muss ich mir wohl auch teilen… aber gut, es scheinen ganz lustige Typen zu sein. Jedenfalls haben sie viel zu lachen. Bin gespannt wie die Nacht wird… Kurz darauf kommt ein weiterer, dreiköpfiger Männertrupp. Schwer was los hier im einsamen Norden! Die drei beziehen die Nebenhütte. In der kleinen Sauna kommen wir uns dann näher (sau nah sozusagen) und während meiner zwei Saunagänge muss ich zweimal die selben Fragen beantworten. Danach bin ich einigermaßen platt und verziehe mich mit einer Tafel Schokolade und meinem Buch in eine gemütliche Ecke, während der Männertrupp das Abendessen vorbereitet. Zum Schluss werde ich noch auf einen Teller Rentierragout eingeladen, was ich natürlich nicht ablehnen kann (auf eine Einladung zum einem Glas Cognac warte ich allerdings vergeblich). Ich revanchiere mich und helfe beim Abwasch und um 21:00 Uhr verschwinde ich im Bett.

Fazit: wieder ein regnerischer und nebliger Wandertag, aber mit der Gewissheit, dass ich eine warme Hütte erreiche, kann ich auch solche Tage genießen. Die Unterhaltungen mit vier Leuten auf Englisch sind sehr anstrengend, und heute hätte ich die Hütte auch gerne alleine für mich gehabt – aber dann hätte es auch kein Rentierragout gegeben!

P.S.: heute sind zweimal Gänse auf dem Weg nach Süden über mich hinweg geflogen. Der Sommer geht hier unweigerlich dem Ende entgegen und ich muss mich auf den norwegischen Herbst und Temperaturen um den Gefrierpunkt einstellen. Ich bin gespannt…

P.P.: jetzt habe durch das unschöne Erlebnis in Schweden völlig mein 2000-Kilometer-Jubiläum verschwitzt! Aber ich habe es gestern geschafft: 2000 Kilometer zu Fuß durch Norwegen! Da ich auch in den nächsten Tagen kaum Netzabdeckung haben werde muss ich diesen Meilenstein wohl für mich alleine feiern…