28,48 km – 10:37 h

Entgegen der mir bekannten Prognose begrüßt mich der Morgen nicht mit dem erwarteten Regen, sondern mit aufgelockert bewölktem Himmel. Auch in der Nacht hat es wohl nicht geregnet. Beides gute Vorzeichen für die anstehende Furt durch den Fluss.

Die ist dann auch wirklich nicht der Rede wert. Das Wasser hat zwar eine kräftige Strömung, ist aber nur knapp knietief. Da habe ich schon schlimmere Flüsse durchquert. Die ziemlich lädierte Brücke sieht aber sehr abenteuerlich aus und hat auch keine Funktion mehr. Der Fluss hat sich durch das letzte Unwetter einfach mal umgebettet. Also zeigt sich erneut, dass es sich nicht lohnt über Dinge nachzudenken die man eh nicht beeinflussen kann.

Kollateralschäden
Brücke ohne Fluss
Fluss ohne Brücke

Der Himmel wird immer blauer und der Weg von der Argaladhytta durch das Skiejdevágge ist wunderschön. Die aufsteigenden Hänge bieten ein tolles Panorama und der Weg lässt sich gut laufen.

Endlich habe ich wieder das Gefühl selbstbestimmt zu wandern. Am liebsten würde ich auf jeder Hügelkuppe eine Pause machen und an jedem Wasserfall mein Zelt aufschlagen. Leider reicht dafür mein Proviant nicht aus, ich fahre sozusagen grade mit dem letzten Tropfen. Morgen in Sulitjelma wartet dann mein Paket auf mich. Für die nächste Etappe bis Innset werde ich zwei Tage mehr Proviant einplanen um bei solchen Gelegenheiten flexibel zu sein.

Die Strecke führt weiter bis an den großen See Balvatnet. Die Balvashytta lasse ich rechts liegen und verzichte auf den 3 km-Umweg um dort eine Pause zu machen. Die gönne ich mir dann am späten Mittag und nutze den nahen See für ein erfrischendes Bad. Anschließend liege ich in der Sonne und lasse mich trocknen („🎼… ich hab ne Sonnenbrille auf weil ich sie brauch, die Sonne scheint mir auf den Bauch – so geht´s doch auch…🎼“) Fast schlafe ich ein und mache mich erst um 15:00 Ihr wieder auf den Weg in Richtung Tjoarvihytta.

Gemütlich laufe ich vor mich hin, höre Pe‘s und meine gemeinsame Playlist mit „unseren Liedern“ und bei einigen Stücken laufen mir die Tränen aus den Augen. Das ist mal wieder so ein Moment, an dem ich das Alleinsein „verfluche“, weil ich diese schönen Eindrücke und Gefühle nicht mit meinen Lieblingsmenschen teilen kann.

Expecto patronum

Plötzlich bemerke ich, dass ich Begleitung bekommen habe. Ein Rentier läuft eine ganze Weile nah neben mir her und scheint keine große Angst zu haben. Immer wieder äugt es rüber, läuft vor, wartet… nur wenn ich Fotos machen will verschwindet es hinter Felsen oder Hügel.

Da nun hinter mir dunkle Wolken aufziehen beschleunige ich meine Schritte um nach dem Bad nicht auch noch duschen zu müssen. Trotzdem mache ich zwischendurch ein paar Blaubeerpausen. Die letzten zwei Kilometer ziehen sich, wenn man ein Gewitter im Nacken hat, aber ich komme rechtzeitig an der Hütte an. Die Tjoarvihytte ist enorm groß, hat aber einen alten Teil, der recht gemütlich ist. Den Schlafraum haben Daina und Nadja belegt, die schon einige Zeit hier sind. Der Schlafboden ist mir zu dunkel und zu warm, also nehme ich ein Schlafsofa im „Seminarraum“ in Beschlag. Hier scheinen öfter große Gruppen (Schulklassen?) zu Gast zu sein und irgendwo habe ich etwas von „Jagdgesellschaften“ gelesen. Wo ich jetzt so gemütlich am Ofen sitze fängt auch der Regen an – soll er doch!

Fazit: ich muss mal wieder einen Gang runter fahren und mich darauf besinnen mir die Zeit zu nehmen um die schönen Momente der Tour zu genießen. Nicht nur in Etappen und Provianttagen denken, sonst wird die Wanderung wirklich noch zur Arbeit. Der Junkerdal-Nationalpark war jedenfalls jeden Schritt und jeden Höhenmeter ein Erlebnis, das ich nicht mehr missen möchte.