26,79 km – 09:56 h

Vorgestern habe ich geschrieben, dass auf so einer langen Tour nicht jeden Tag spannende Abenteuer passieren und dass das Laufen manchmal wie Arbeiten ist. Nun ich kann präzisieren: jeden dritten Tag passieren Abenteuer, und wenn Laufen wie Arbeiten ist war das heute ein ganz besonderes Projekt.

In aller Frühe mache ich mich leise reisefertig um die „Mitbewohner“ nicht zu wecken – ich glaube es ist aber nur noch die schweigsame Familie da. Ich bin ganz gut gelaunt und freue mich auf einen regenfreien Tag mit einfachen Wegen. Von der Lønsstua bis zur Argaladhytta soll es gehen. Nach etwa einer Stunde komme ich am Zeltplatz von Simone und Stefan vorbei, beide winken einen Morgengruss herüber und bieten mir eine überzählige Frühstücksration an. Aus Gewichtsgründen schlage ich das nette Angebot aber aus. Da ich ja nun doch bereits am Dienstag in Sulitjelma eintreffe komme ich mit meinem eigenen Proviant aus. Es geht über Felsen und Grasflächen, dann beginnt der Abstieg ins Junkerdalen. Dort gibt es das Junkerdalen Turistsenter das, entgegen vieler anderslautenden Informationen, definitiv geschlossen ist! Kein Resupply, kein Restaurant, nicht einmal eine Cola. Geschlossen halt!! Auf dem zugehörigen Campingplatz stehen noch Dauercamper und für eine Nacht findet man auch einen Stellplatz für sein Zelt (wenn man sich nicht direkt neben die bewohnten Parzellen stellt).

Wenn man die Trygvebu ansteuert und den DNT-Wegen folgt wird man hier gar nicht vorbei kommen, sondern läuft einen Bogen über die Graddis Fjellstue und den Campingplatz. Ich folge aber der Empfehlung, die Stefan von einer Norwegerin erhalten hat und laufe auf einer alten, jetzt stillgelegten Straße (alte E6??), die durch die Skaita-Schlucht führt. So spare ich 5 km Weglänge und einige Höhenmeter ein. Zu Beginn sieht alles ganz wunderbar aus. Ein zweispuriger Wiesenweg, dann ein gut sichtbarer Pfad durch lichten Birkenbewuchs, dann… nichts mehr.

Beginn und Ende der Abkürzung
Zwischenstück (die ganz schlimmen Abschnitte konnte ich nicht fotografieren)
Blindflug am Hang

Auf meiner GPS-Karte ist der Pfad eingetragen, nur auf halber Strecke fehlt ein Stück. Und das hat einen Grund! Durch einen Erdrutsch ist der Weg weggerissen und man steht auf halber Höhe vor einem Hang, der senkrecht zum Fluss abfällt. Ja, man kann sich einen Weg bahnen, das ist aber nicht nur anstrengend, sondern auch nicht ungefährlich. Glücklicherweise kann ich mich an den Spuren meiner „Vorläufer“ orientieren. Möglich, dass diese Route durch das Unwetter am 08./09. August nochmal besonders schwierig geworden ist, ich würde beim nächsten Mal auf jeden Fall den Umweg über Graddis in Kauf nehmen.

An der Trygvebu mache ich Rast und treffe dort auf Nadja und Daina, später kommen auch Simone und Stefan dort vorbei und alle sind wir der gleichen Meinung: das Risiko ist die Abkürzung nicht wert.

In der Hütte lerne ich auch Felix aus München kennen, der in Finnland gestartet ist und mit dem Fahrrad und einem Packraft unterwegs ist. Er fährt verschiedene Seen an, lädt das Rad ins Boot und paddelt weiter. Auch eine Idee… wie er allerdings die Wanderwege mit dem Rad bezwingt ist mir ein Rätsel. Da Felix vor zwei Jahren bereits mit den Hurtigruten vom Nordkap nach Trondheim gefahren ist, kann er einige interessante Tipps zur Rückreise geben (ja, ich weiß, das dauert noch). Außerdem berichtet er von einer recht schwierigen Flussquerung, die mir morgen bevor steht. Also mache ich mir dazu dann auch morgen Gedanken.

Daina und Nadja haben in der Hütte Knäckebrot entdeckt und gleich ein Paket für mich reserviert, so kann ich eine schöne „Brotzeit“ halten. Danke dafür, ihr beiden !! Danach geht es dann wieder „on Trail“ weiter. Noch acht Kilometer bis zur Argaladhytta. Diese soll ganz „speziell“ sein und ich bin sehr gespannt. Ich weiß, dass es eine (oder die?) ältesten Hütten ist und 1912 erbaut wurde.

Und meine Erwartungen werden nicht enttäuscht. Es ist ein wenig so, als wäre die Zeit stehen geblieben. Wenn es jetzt noch Zeitungen von 1912 hier gäbe (😉) wäre die Illusion perfekt. Allerdings habe ich keine Ahnung, wie hier im Ernstfall vier Personen Platz finden sollen.

Auch Simone und Stefan kommen vorbei, machen aber nur eine kurze Pause und wollen nach der nächsten Flussquerung zelten. Ich bin schon froh, dass ich heute nicht mehr weiter laufen muss. Da es heute Nacht regnen soll, könnte die Querung allerdings ein Problem werden – bei Felix war das Wasser kurz nach dem Starkregen hüfthoch. Na ja… det ordne seg…

Fazit: statt eines Fazits nur noch einmal die Empfehlung nicht den Shortcut zu nehmen sondern über Graddis zu laufen. Ich habe die Strecke als sehr grenzwertig empfunden.