21,05 km – 09:39 h

Wenn ich den heutigen Tag mit zwei Worten beschreiben müsste würde ich sagen: unendliche Weiten…

Aber fangen wir, wie immer, von vorne an: Die letzte Nacht in der Kvepsendalskoia war nahezu ein Naturschauspiel. Die ganze Nacht heult der Wind um die Hütte und ich bin mehr als einmal aufgewacht und habe mich in Gedanken beim DNT für diese Nothütte bedankt. Warm, trocken, standfest… die letzte Glut leuchtet rötlich im Ofen und draußen tobt der Wind. Gemütlicher geht es wohl nicht. Leider tut er (der Wind) das heute am frühen Morgen noch immer, und das ist dann überhaupt nicht mehr gemütlich, wenn man dort hinaus muss. Ich liege ab 04:00 Uhr wach und überlege, was ich machen soll. Gefühlt wird der Wind immer heftiger. Gestern bis 22 m/s, heute laut Prognose 24-25 m/s. Soll ich mich da wirklich hinaus trauen? Gegen 07:00 Uhr beginne ich zu frühstücken und packe langsam meine Sachen, werde mir aber nicht klar, ob ich starten soll oder nicht. Kurz vor acht dann der entscheidende Wink: der heftige Wind ist plötzlich wie weggeblasen und helles Sonnenlicht scheint in die kleine Hütte. Jetzt schnell die Schuhe an, Rucksack geschultert und um Punkt 08:00 Uhr mache ich mich auf den Weg. Natürlich weht es ordentlich und ich muss mich gegen die Böen stemmen, aber es ist bei weitem nicht so schlimm wie ich dachte.

Das Gelände ist gut zu laufen, natürlich wieder Teilstrecken durch nasse Wiesen aber auch viele trockene Abschnitte. Mein Ziel zur Mittagspause ist die Virvasshytta, bis dorthin sind es ca. 15 km und bei meiner heutigen Startzeit bin ich um spätestens 13:00 Uhr dort.

Ich muss zwei größere Flüsse queren, aus dem Reiseblog von Sophie weiß ich aber, dass diese keine größeren Probleme bereiten. Der erste Fluss wird von einer „Naturbrücke“ überspannt, beim queren des Zweiten wechsle ich schnell die Schuhe. Das Wasser ist zwar nur gut knöcheltief, aber noch sind meine Füße trocken, das will ich nicht auf‘s Spiel setzten.

Der Wind nimmt wieder an Kraft zu und ich kommt streckenweise nun frontal von vorne. Ich fange an die Anhöhen in Serpentinen zu besteigen und kreuze vor dem Gegenwind um meinen Kurz zu halten. Die Landachaft ist unglaublich hier und kein Panorama kann die Weite wiedergeben. So weit das Auge blickt, grüne Hügel, im Hintergrund die Berge – sonst nichts!

Wie geplant erreiche ich die Virvasshytta pünktlich zur Mittagszeit und freue mich auf die Pause. In vielen Reiseberichten wird diese Hütte oft negativ bewertet. Unordentlich, nicht einladend, mückenverseucht… ich bin aber positiv überrascht, als ich die Cabin betrete. Unordentlich ist hier nichts und von Mücken keine Spur. Also Ofen anheizen und Wasser holen. Erst als ich mir einen Kaffee kochen will finde ich eine Erklärung für das Mückenproblem. In dem frischen Wasser aus dem See wimmelt es von Mückenlarven. Wenn so ein Eimer dann ein paar Tage in der unbewohnten Hütte steht schlüpfen die Bister natürlich.

Ich mache es mir mit Nudeln Bolognese, einem Stück Käse und zwei Scheiben Knäckebrot mit Marmelade gemütlich und liege grade auf dem Sofa, als ich Gesellschaft bekomme. Nadja und Daina haben mich eingeholt. Beide haben das gleiche Tagesziel wie ich, die Corraskoia, wieder eine kleine Nothütte (die offiziellen DNT-Hütten passen irgendwie nicht zu meinen Tageskilometern. Entweder zu nah oder zu weit weg). Nach der Pause starten wir gemeinsam, da die beiden NPL aber joggen sind sie bestimmt eher am Ziel als ich.

Wir kommen dann doch fast zeitgleich am Ziel an, ich kürze die Strecke einfach ab und gehe querfeldein direkt auf die Hütte zu. Schnell ist der Ofen an und drei Paar Schuhe hängen zum trocknen „unter der Decke“. Wir breiten unsere Lager aus und dann gibt es erstmal Abendessen. Die kleine Koia bietet auf drei Holzbänken zwar Platz für uns alle, das Raumvolumen ist aber doch sehr begrenzt und ich frage mich, ob wir nicht in der Nacht an einer Kohlendioxid-Vergiftung sterben werden. Beim Wasserholen habe ich eine Senke gefunden, die eben und windgeschützt ist. Als dann auch noch die Abendsonne scheint und der Wind nachlässt packe ich meine Siebensachen alle wieder ein und ziehe doch lieber in mein eigenes kleines Haus. Dann störe ich die beiden nicht, wenn ich in der Früh Kaffee koche, außerdem ist es hier im Zelt mal wieder richtig gemütlich.

Morgen geht es zur Bolnastua, die liegt direkt an der E6 und soll recht gute Netzanbindung haben. Dann kann ich endlich wieder mal telefonieren und die ganzen Tagesberichte hochladen.

Fazit: das alleine Wandern hat mir heute gut getan. Tatsächlich kommen und gehen die Gedanken wie sie wollen. Auch wenn ich viel an meine Familie denke habe ich mich heute wieder sehr wohl gefühlt in dieser beeindruckenden Naturkulisse.