29,35 km – 09:57 h

Ich habe grade das Aussenzelt geöffnet und sehe kaum die Hand vor Augen. Dicker Nebel liegt rings um mein Zelt… oder sind das tiefe Wolken? So oder so – es ist kalt und nass, Grund genug das Zelt wieder zu schließen und den Schlafsack nochmal bis zu den Ohren zu ziehen. Ich habe noch eine gute halbe Stunde Zeit bevor ich raus muss. Heute ist ein spannender Tag, auf den ich mich schon seit einiger Zeit freue. Meine Route führt mich heute am Okstindbreen, dem achtgrößten Gletscher Norwegens vorbei. Außerdem will ich heute so weit laufen, dass ich morgen am späten Vormittag in Umbukta ankomme – heißt also ich habe knappe 30 km vor der Brust.

Erstmal wird aber in Ruhe gefrühstückt und gepackt. Das dauert heute irgendwie länger und ich bin erst um 06:15 auf der Piste. Eigentlich später als geplant, aber was soll’s. Ich marschiere los und natürlich beginnt die Tour mit viel Wasser, Matsch und Sumpf. Nach 20 Minuten sind die Schuhe durch und ich bin heilfroh, dass ich gestern dieses Stück nicht mehr laufen musste. Keine Ahnung, wo ich das Zelt hätte aufbauen sollen. Erst als ich das Speltfjelldalen hinter mir habe und Kurs nehme auf das Okstindan-Gebirge wird es trockener. Ich komme auch an der gestern erwähnten Gressvasshytta vorbei, sehe das neue Gebäude aber nur von oben und aus der Ferne, weil ich mich deutlich oberhalb am Hang bewege und südlich vom Riddaren Richtung Gletscher laufe. Der Pfad ist aber vorhanden und war wohl früher ein offizieller DNT-Weg, jedenfalls finde ich immer wieder Reste von Markierungen und schwarz übermalte „T‘s“.

Wohl um mich für die nassen Schuhe und den sumpfigen Weg am Vormittag zu entschädigen kommt nun auch die Sonne durch und ich habe den Gletscher fast erreicht. Was für ein Timing und was für ein Erlebnis! Ich verlasse den Pfad und klettere über Geröllfelder bis an den Gletschersee. Hier wird eine ausgiebige Pause gemacht! Auf einem flachen Stein packe ich meinen Kocher aus um Gletscherkaffee zu kochen. Irgendwo habe ich gelesen, dass der Okstindbreen 9000 Jahre alt sein soll (keine Ahnung ob das stimmt). Wenn ich also meinen Kaffee mit dem Gletscherwasser koche, habe ich dann 9000 Jahre alten Kaffee? Egal! Das Wasser kann ich natürlich nicht vom Seeufer holen, es soll ja reines Gletscherwasser sein. Also Klamotten runter und mit der Wasserflasche rein ins kalte „Vergnügen“… Sch… ist das kalt!!

Die Beine und Füße haben noch eine halbe Stunde später „weh getan“. Aber der Kaffee danach ist definitiv etwas ganz Besonderes, auch wenn er einfach wie Kaffee schmeckt.

Ein Eis zum Mitnehmen bitte

Ich genieße diesen Ort und das Gefühl hier einfach zu sitzen und ein Überbleibsel der letzten Eiszeit zu betrachten. Genau so habe ich mir den Tag vorgestellt.

Den Rückweg zum Trail muss ich mir suchen, stoße aber nach kurzer Zeit wieder auf ganz frische Markierungen, zu denen es noch keinen Pfad in den Karten gibt. Zwar macht das mehr den Eindruck eines Klettersteiges aber ich bin vorsichtig und steige Schritt für Schritt hinunter ins Tal. Zwischendurch stolpere ich über einen „Personenzähler“ der per Lichtschranke die Durchgänge festhält. Dann ist es wohl doch ein neu angelegter DNT-Wanderweg, der von der anderen Seite zum Gletscher führt. Oder aber jemand möchte wissen, ob sich am Gletscher eine Bratwurstbude lohnt und zählt die Besucher… (also ich hätte auf jeden Fall eine genommen).

Ich bin grade im Tal angekommen, da sind Thor und seine Kollegen der Meinung ich sei nun genug entschädigt worden und es fängt an zu regnen. Also Klamottentausch und weiter gehts. Erst wieder anstrengend sumpfig, dann aber wieder herrliches Gelände parallel zum Fluss, mitten durch das Storskarsbekken, eine recht felsige Ebene. Auf der rechten Seite geht es an den Steilhängen des Gressfjellet entlang.

Zeltmöglichkeiten gibt es hier genug, ich möchte aber doch gerne die Grassfjellkoia erreichen und in der Nothütte meine nassen Sachen, vor allem die Schuhe trocknen.

Die kleine Hütte ist in gutem Zustand und schnell ist der Ofen angeheizt. Da nutze ich doch die Gelegenheit und bereite mir gleich mein Abendessen. Für Übernachtungen sind diese Rasthütten eigentlich nicht vorgesehen, aber es ist so schön warm und gemütlich hier… vielleicht lege ich mich auch einfach auf eine der Bänke, wenn bis 21:00 noch niemand vorbei gekommen ist…

Fazit: egal welche Überraschungen und Abenteuer die nächsten Wochen noch für für mich bereit halten, dieser Tag ist mit Sicherheit ein Highlight der ganzen Tour.