21,50 km – 07:48 h

Ich glaube so schlecht wie in der letzten Nacht habe ich überhaupt noch nicht geschlafen. Dabei weiß ich nicht einmal einen Grund dafür! Ständig drehen sich die Gedanken im Kreis: um die Arbeit und den Stand der laufenden Projekte, dann wieder die Beschaffung einer neuen Isomatte, Familie… Irgendwie komme ich nicht zur Ruhe, dabei wollte ich doch morgen so früh wie möglich los. Na, wenigstens in Sulitjelma kann ich per Mail anfragen, ob ich über den DNT ein weiteres Paket schicken kann, mein Versorgungspaket liegt ja schon seit Mai dort.

Unausgeschlafen quäle ich mich um 04:30 Uhr aus dem Schlafsack, schnappe mir meine Beutel und gehe in die Küchenbaracke um zu frühstücken. Danach abbauen und packen – alles mittlerweile routinierte Handgriffe. Ich verschwende keinen Gedanken mehr daran, wo oder wie ich welche Sache verstaue. Um kurz nach 06:00 Uhr bin ich „abfahrbereit“. Aus dem Nachbarzelt höre ich Stimmengemurmel, also rufe ich noch ein „Bis bald!“ herüber.

Ab heute bin ich wieder Solo unterwegs. Zu dritt haben wir die weglosen Strecken durch die drei Fjellebenen (Skjæker-/ Blå- und Børgefjell) gemeistert. Ich bin mir nicht sicher, ob ich alleine nicht bereits im Skjækerfjell aufgegeben hätte… die Strecken waren schon sehr anspruchsvoll, ständig musste navigiert und die Route überprüft werden und dazu dann streckenweise Regen. Meine Hochachtung gilt allen, die diese Abschnitte alleine hinter sich gebracht haben – und ein herzliches Dankeschön an 1zelt4beine.de für die Unterstützung. Egal ob es sich um Ersatzsocken, Gummibärchen oder den gemeinsamen Austausch über die beste Route gehandelt hat! Mir haben die gemeinsamen Tage viel Spaß gemacht und wenn ihr für die Nabar wieder jemanden sucht biete ich mich gerne an. Ein echter Abschied ist es ja wahrscheinlich nicht, unsere Wege werden sich bestimmt häufig wieder kreuzen, spätestens in Umbukta. Ich freue mich schon auf das gemeinsame Bier.

Heute freue ich mich aber auch darauf wieder allein unterwegs zu sein. Das eigene Tempo laufen, Pause machen, weiterlaufen, einfach mal hinsetzen – ohne auf jemanden Rücksicht nehmen oder aufpassen zu müssen, den Anschluss nicht zu verlieren (Nein Simone, ihr wart nicht zu schnell). Alleine ist eben auch schön. Anders aber schön – jedenfalls solange die Sonne scheint, und das tut sie heute ausgiebig. Ich bin gespannt, ob ich mich in das Alleinsein wieder hineinfinde, fast einen Monat war ich ja jetzt in Begleitung, erst von Berndt, dann von Simone und Stefan.

Ich gehe so früh los, damit ich den Anstieg aus dem Hattfjelldalen hinauf ins Sæterfjellet hinter mir habe bevor es zu warm wird. Der Plan geht auch auf und ich genieße den freien Blick und die Weite im Fjell. Wie gestern folge ich der Nordlandruta, der Weg ist gekennzeichnet und einigermaßen gut begehbar, das Navi kann getrost in der Tasche bleiben. Meine erste große Pause mache ich in Tverelvnes. Ein kleine Ansiedlung zu der auch eine Statskog-Hütte gehört. Dort habe ich zwar ohne Buchung keinen Zugang aber ich hoffe auf eine Bank mit Tisch um ein zweites Frühstück und einen Kaffee machen zu können.

Ich laufe also suchend an den drei Häusern vorbei und dabei bemerkt mich eine Frau die im Wintergarten sitzt und näht. Als ich ihr erkläre, dass ich nur eine Pause machen will verweist sie mich auf Tisch und Bänke vor ihrem Haus, die Hütte sei noch belegt. (später stellt sich raus, das Hans Viktor hier einen Pausentag eingelegt hat). Dankbar mache ich es mir gemütlich und und noch viel dankbarer bin ich, als mir Elisabeth – so heißt die gute Frau – eine Thermoskanne mit Kaffee und einige Kanelruller (Gebäck mit Zimt und einer Creme) bringt. Wir reden ein wenig und sie bittet mich in ein Gästebuch zu schreiben, was ich gerne tue und gleich mit meinem Dank für die nette Bewirtung verbinde. Da es hier vor dem Haus ein offenes WLAN-Netz gibt nutze ich die Gelegenheit und checke meine Mails. Umbukta hat meine Buchung für nächste Woche noch nicht bestätigt, aber Sulitjelma schreibt, dass die Sache mit dem Paket in Ordnung geht. Also kann ich auch gleich mit dem DNT-Shop telefonieren um sicher zu stellen, das meine Bestellung auch wirklich dorthin, und nicht nach Nettlingen geschickt wird. Zufrieden kümmere ich mich dann um das Gebäck und um den Kaffee und begrüße Hans Viktor, der grade aufbricht. Ich bleibe sitzen und genieße den Tag. Schön, wenn man so früh schon die Hälfte der Strecke hinter sich hat.

Ich laufe heute bis ich einen Campspot am Mosvatnet finde. Das müssen etwa 20 km sein und da mir der gestrige Abstieg noch in den Knochen, bzw. Knien steckt, reicht mir das für heute. Unterwegs treffe ich zwei Fischer, einen Wanderer und eine Wandererin… Mange trafikk på fjellet, I dag!

Gegen 14:00 Uhr finde ich eine ebene Terrasse am Hang oberhalb des Sees, direkt daneben fließt ein Bach herunter – fließend Wasser direkt im Haus. Es ist ein wenig windig, aber ein Hilleberg wird das schon aushalten. Ich baue also auf, ruhe mich ein Stündchen aus und genieße den Ausblick bis ich die dunklen Wolken bemerke. Schnell baue ich den Kocher zusammen um vor dem Regen noch essen zu können. Mangels Schokolade gibt es heute noch einen Kakao dazu. Um 17:45 Uhr ist es dann so weit: die Welt geht unter – jedenfalls hört es sich im Zelt so an. Ein starker, böiger Wind treibt den Regwn auf das Aussenzelt aber soweit ich sehen kann bleibt alles trocken. Nicht sicher bin ich mir bei der Platzwahl, ich stehe doch ein wenig in einer Mulde – bleibt zu hoffen, dass das kein Swimmingpool wird.

Fazit: wenn ich in meinem Zelt heute nicht ertrinke war es ein schöner zweiter Auftakt ins Solowandern.