21,63 km – 07:51 h

Heute ist die „Grenze“ mein Tagesmotto. Nach dem wunderbaren Aufenthalt auf Ljønåsvollen verabschiede ich mich von Ingrid und laufe nun die letzte Etappe bis nach Vauldalen zum Fjellhotel am norwegisch-schwedischen Grenzübergang. Dort liegt seit fast zwei Monaten mein zweites Paket für mich bereit und dort wird meine Solotour für ein paar Tage ein Ende finden. Ich freue mich riesig darauf die nächste Woche mit Berndt zu zweit zu wandern. Aber erst muss ich diese Etappe noch hinter mich bringen.

Wieder einmal zeigt sich, dass mir die frühen Starts am besten gelingen. Gut gelaunt steige ich auf einem markierten Pfad auf 1.500 m in das Grenzgebiet zu Schweden hoch, vorbei am Storvigelen und Tverrviggelen… es weht ein scharfer Wind und denke tatsächlich das erste Mal darüber nach die Handschuhe aus dem Rucksack zu holen. Außerdem fängt es nun an zu regnen. Da ich ja ein „Glückskind“ bin erreiche ich in diesem Moment aber eine Nothütte.

So sehr in Not bin ich zwar nicht, aber hier kann ich mir in Ruhe die Regensachen anziehen. Die kleine Hütte hat einen Ofen, Holz und eine „Notfallkiste“ mit Kocher, Spiritus und sogar drei oder vier Tüten Trekking-Nahrung.

Nur im echten Notfall zu verwenden…

Leider verliert sich der markierte Weg auf der Hochebene und das Gehen wird sehr anspruchsvoll. Es geht nun kilometerlang über Geröllfelder. Das Vorwärtskommen wird recht mühselig und ich muss höllisch aufpassen, dass ich mich nicht vertrete. Ich habe wirklich keine Ahnung wie man so etwas in Trail-Laufschuhen bewältigen kann (liebe Grüße an Kathi!). Selbst in meinen hohen Wanderstiefeln lässt es sich nicht vermeiden, dass ich ab und zu umknicke. Die Trailstöcke retten mich aber immer vor einem Sturz.

Die Viglen-Ebene
Einfach geht anders

Nach einer Stunde komme ich mir vor wie eine Bergziege. Markierungen oder einen Pfad gibt es hier überhaupt nicht mehr und zu allem Überfluss stehe ich auch noch vor einem Fluss… dem folge ich, bis er völlig aus meiner Richtung läuft, dann muss ich wohl oder übel furten. Obwohl die Schuhe und Füße bereits völlig nass sind mache ich mir die Mühe und ziehe alles aus, dann geht es durch das eiskalte Wasser. Drüben angekommen schnell Socken und Schuhe wieder an – abtrocknen ist überflüssig.

Ich folge einem „virtuellen“ Pfad, bis ich an die schwedische Grenze stoße… dort ist dann wohl Schluss. Laut Karte soll es zwar eine Trail geben, der rüber auf die schwedische Seite führt, aber leider gibt es keinen Übergang über den Grenzzaun. Also geht es ab hier wieder mal off-road entlang des Zaunes weiter. Der Vorteil dabei: ich spare mir einen großen Bogen durch Schweden und kürze die Strecke ab. Zeitersparnis bringt mir das allerdings nicht, im Gegenteil.

ein kilometerlanger Zaun im Nirgendwo… was soll das nützen?

Wenigstens fällt die Orientierung hier nicht besonders schwer, irgendwo entlang der Grenze muss ich wieder auf den Pfad stoßen. Dummerweise weiß ich es wieder besser und biege ab um auf einen anderen Trail zu kommen, der entpuppt sich dann aber als uralte, völlig versumpfte Skiloipe. Ein Zurück gibt es nicht, also folge ich den sporadisch auftauchenden Markierungen und kämpfe mich durch Wasser und Matsch.

ein weiser Weg-Weiser

Die letzten drei Kilometer wird es dann wieder einfacher und gegen 13:00 Uhr komme ich an meinem Ziel, dem Vauldalen Fjellhotel an und stehe erst einmal vor verschlossenen Türen. Ein kurzer Anruf klärt aber die Situation und eine freundliche Mitarbeiterin lässt mich hinein. An der Rezeption liegt bereits mein Paket bereit und schnell werden die Formalitäten erledigt. Das Hotel selber besteht aus einem Bungalow mit Küche, Lounge, Kaminzimmer und Speiseraum. Die Zimmer sind in weiteren Gebäuden untergebracht. Wirkt ein bisschen wie ein amerikanische Motel… Bates Motel?

Das Zimmer ist aber in Ordnung. Beim Eintreten wartet eine weitere Überraschung auf mich: ein Pilger-Bier aus Paderborn mit meinem Namen und einem „Gruß aus Alaska“ – na wer sich das wohl ausgedacht hat.

Ich würde sagen, ein perfektes Timing, denn heute, am 50. Tag meiner Wanderung habe ich nämlich noch eine Grenze überschritten: die 1.000-Kilometer-Grenze!! Tatsächlich steigen mir die Tränen in die Augen als ich die Dose öffne und in Gedanken mit meinen lieben Freunden Marlies und Dietmar auf die 1000 anstoße. Ich vermisse Euch! Allein sein ist manchmal auch Scheisse (tut mir leid, aber das musste raus…)

Um 18:00 Uhr gibt es zwar Essen, aber das Paket muss ich trotzdem schon mal aufmachen – nur ein Stück Schokolade…

Ich fange grade an meine Sachen zu sortieren, da klopft es plötzlich an der Zimmertür… Nina und Berndt? Nein, die sind noch nichtmal auf der Fähre. Hotelpersonal? Zimmerservice?…. Nein, vor der Tür stehen unsere lieben Freunde Marlies und Dietmar (wer die beiden kennenlernen möchte kann sich unseren Alaska-Reisebericht ansehen).

Ich möchte niemals das Foto sehen, als ich die Tür aufmache und die Beiden vor der Tür stehen! Ich bin völlig perplex, mit keiner einzigen Silbe haben die beiden jemals erwähnt, dass sie auch dieses Jahr nach Norwegen wollen. Jetzt schiessen mir schon wieder Tränen in die Augen – was ist das für eine Überraschung! Jetzt muss ich doch nicht alleine auf die 1000 anstoßen. Es ist ein wunderbares Wiedersehen, wir erzählen viel und als ich zum Essen rüber muss kommen beide mit. Ihr seid einfach unglaublich! Und morgen sehen wir uns auf dem Fjällness-Camping zusammen mit Nina und Berndt wieder!!!

Wie schön es ist, wenn man in Gesellschaft isst. Es gibt einen norwegischen Eintopf mit viel Fleischeinlage, der ausgesprochen lecker ist. Als gefragt wird, ob nochmal nachgefüllt werden soll schlage ich natürlich sofort zu!

Als Marlis und Dietmar wieder zurückgefahren sind mache ich mich über mein Paket her. Aussortieren was ich die nächsten sieben Tage benötige, den Rest übernehme ich wenn Berndt wieder abgeholt wird. Wenn ich an das neue Rucksackgewicht mit dem ganzen Proviant und dem neuen, schwereren Zelt denke wird mir ganz anders…

Fazit: was für ein Tag heute! Und was für ein Tag morgen! Vielen herzlichen Dank für die gelungene Überraschung.