14,80 km – 04:32 h

Zwei sehr entspannte Regentage in der Langen Gjestegård gehen zu Ende und ich werde mit einem schönen Frühstück im Haupthaus verabschiedet. Da ich der einzige Frühstücksgast, bzw. überhaupt der einzige Gast bin, fällt das Frühstück ein wenig schweigsam aus. Na wer nicht schwätzt kann mehr essen… und das tue ich auch und schäme nicht nicht einmal, als ich nach mehr Aufschnitt und Brot frage… obwohl der „Koch“ von gestern schon ein wenig verwundert guckt.

Es ist herrlich mal wieder ein echtes Frühstück zu genießen und nicht nur Haferbrei mit Wasser und einer handvoll Nüsse. Es gibt Aufschnitt, Käse (auch Brunost, den braunen, süßlichen „Karamell“-Käse), gebratenen Bacon, zwei Spiegeleier, Brot, Milch, Orangensaft (!) und Müsli… ok, letzteres hab ich nicht probiert.

Da ich heute früh schon meine Sachen gepackt und die Hütte durchgefegt habe, kann ich gleich nach der letzten Tasse Kaffee los starten. Ich begleiche bei Arne noch meine Rechnung und freue mich über 10% Rabatt weil ich DNT-Mitglied bin.

Mein Ziel ist heute Ljøsnåvollen, nur knapp 15 km entfernt. Eigentlich könnte ich die 33 km bis nach Vauldalen heute auch komplett laufen, müsste dann aber eine weitere, recht kostspielige Nacht im Hotel verbringen. Und außerdem sehe ich so noch eine weitere Hütte. Etwas ärgere ich mich allerdings, als ich ständig an hervorragenden Zeltplatz-Möglichkeiten vorbeikomme und meine Gedanken kreisen wieder um das gebrochene Zelt und das „was-wäre-wenn“… Na vielleicht übernimmt Nordisk ja auch die Kosten für die zusätzlichen Übernachtungen – die Quittungen bewahre ich mal lieber auf!

perfekte Zeltspots

Der Weg ist eine historische Strecke und auf den ersten Kilometern extrem komfortabel – eine wahre Waldautobahn. Immer wieder stehen am Rand Hinweisschilder zu historischen Ereignissen.

daraus werde ich nicht ganz schlau, hat aber was mit dem Flössen von Holz über den Femund zu tun…

Ein Fun-Fact: die Region ist ein beliebtes Paddelgebiet und man kann über den Feragen und den Langtjønna in den Femundsee und weiter bis an seine südlichste Spitze paddeln. Ich komme an einer Kanurutsche vorbei, die aber offensichtlich so eng ist, dass eine Gruppe von Kanufahrern die Boote mühsam um die Kurve „tragen“ müssen.

er hat es um die Kurve geschafft

Ich komme gut voran und versuche schon so langsam wie möglich zu laufen, damit ich nicht schon um 12:00 Uhr am Ziel bin. Bei einer kurzen Trinkpause begegnen mir die Verwandten von Rudolph:

Die letzten Kilometer werden nochmal etwas anstrengend aber ich erreiche mein Ziel etwa gegen 14:00 Uhr. Von weitem sieht Ljøsnåvollen sehr idyllisch aus. Durch die Beschreibung des DNT weiß ich, dass es ein kleiner Hof (oder besser Alm) ist, der noch voll bewirtschaftet wird. Tatsächlich fühle ich mich in der Zeit zurückversetzt, als ich näher komme.

Nur wo ich nun genau hin muss kann ich nicht erkennen und lauf zwischen den Wirtschaftsgebäuden umher, bis aus einem niedrigen, lang gestreckten Gebäude eine alte Norwegerin kommt. Jetzt zeigt sich was mein Norwegischunterricht gebracht hat, die Frau spricht nämlich kein Wort Englisch. Ein wenig holperig, letztendlich aber wohl verständlich erkläre ich, wer ich bin und was ich möchte. Da ich mein Kommen vorgestern per Mail angekündigt habe, weiß die Dame wohl auch schon Bescheid. Auch als ich nach einem Abendessen frage wird genickt, was dann folgt verstehe ich allerdings nur bruchstückhaft. Essen gibt es um 18:00 Uhr im Haupthaus und ich vermute mal es wird eine Art Eintopf geben. Ich bin sehr gespannt!!

Auch meine Unterkunft hat ihren Charme in den letzten 150 Jahren nicht verloren. Es ist wirklich witzig, wie sehr sich die Erwartungen und eigenen Vorstellungen manchmal von der Realität unterscheiden. Nach meinem Aufenthalt in Langen habe ich natürlich einen ähnlich professionellen „Beherbergungsbetrieb“ erwartet, stattdessen komme ich auf einen Bauernhof in eine Hütte mit Kerzenlicht und Abendessen mit „Familienanschluss“.

Aber nichts da Eintopf! Ich werde in die „gute Stube“ gebeten (vielleicht ist es aber auch nur das Speisezimmer für Gäste…) und Ingrid (so heißt die alte Frau) hat schon gedeckt. Es gibt kremfløte, surrømme, poteter, reindyr-, svin- und sauskinke. Also auf deutsch: Sauerrahm, drei verschiedene Schinken bzw. Wurst vom Rentier, Schwein und Schaf (!), dazu Kartoffeln und kremfløte, das ist so eine Art dicker Pudding aus Milch, Mehl, Salz…??? Konsistenz wie Vanillepudding, Geschmack wie eine Hollandaise. Und ein ganz hauchdünnes Brot, das eigentlich nur aus Mehl und Wasser besteht. Natürlich alles selbstgemacht und hier vom Hof – ein traditionelles norwegisches Essen – sagt Ingrid.

Ich muss zwar nachsalzen, es schmeckt aber hervorragend. Während des Essens kommt Ingrid immer wieder herein und fragt ob alles gut ist, was ich nur bejahen kann. Es ist zwar nicht einfach, aber scheinbar kann sie sogar mein Norwegisch verstehen. Immerhin kriege ich ihren Namen raus und ich weiß, was ich gegessen habe… meine Sprachversuche werden wohlwollend und mit einem Lächeln aufgenommen und geduldig wird gewartet, wenn mir grad eine Vokabel fehlt. Ich glaube Ingrid ist ganz froh, dass sie kein Englisch sprechen muss 😬. Nach dem Essen biete ich meine Hilfe beim Abräumen an und lerne dabei auch noch die Schwiegertochter kennen (so habe ich das jedenfalls verstanden). Mit einem artigen „tusen takk og takk for maten“ verabschiede ich mich. Jetzt wird noch ein wenig gelesen, dann geht es früh ins Bett. Morgen gehts an den 22 km-Endspurt nach Vauldalen.

Fazit: Ich werde auf dieser Reise noch zum Optimisten. Es ist wunderbar was sich aus Missgeschicken wie gebrochene Zeltstangen plötzlich für Begegnungen und Erlebnisse ergeben. Mit einem funktionsfähigen Zelt wäre ich nie in Ljøsnåvollen gelandet und hätte weder Ingrid noch ihre Küche kennengelernt.