36,42 km – 09:37 h

Gut geschlafen habe ich und wache ausgeruht auf. Grade noch rechtzeitig, um einen fantastischen Sonnenaufgang zu erleben. Auch der letzte Tag meiner Nábárquerung ist geprägt von gutem Wetter. Jetzt ist das Snickers-Opfer wohl gesetzt. Ich frühstücke und schaue der Sonne beim aufgehen zu, dann packe ich zusammen.

Ein paar Kilometer über hügelige Landschaft mit viel Wasserlöchern und teilweise über sumpfige Flächen, dann läuft es sich wieder einfacher. Beim Laufen denke ich darüber nach in Alta nach einem Frisör zu suchen. Ein Haar- und Bartschnitt wäre echt dringend nötig. Der Bart nervt langsam gewaltig beim Essen…

Auch heute komme ich zwischen zwei Seen an einen Punkt wo es Netzempfang geben soll und ja, es stimmt. Ein schneller Anruf, das Wetter checken, WhatsApps lesen. Pe ist bestimmt in der Schule, ist ja Montag…

Ich bin ganz vertieft in meine Schreiberei, als plötzlich hinter mir jemand pfeift. Fast falle ich vor Schreck in den Bach. Hinter mir steht der Schweizer Phillip – den ich in Kilpisjärvi am Lagerfeuer kennengelernt habe. Phillip ist einen Tag nach mir in Kilpisjärvi gestartet und ausgerechnet hier in der weiten Einsamkeit kreuzen sich unsere Wege wieder. Wobei Kreuzen wörtlich gemeint ist, denn alle Wegbeschreibungen laufen an diesem Engpass zwischen den Seen zusammen. Trotzdem ist es schon ein witziger Zufall, dass wir uns hier im Nirgendwo wiedertreffen. Phillip ist auch recht schnell unterwegs und erzählt, dass er gestern mein Zelt schon gesehen hat und selber nicht weit entfernt sein Lager hatte.

Tja, und leider habe ich wohl gestern gegen 23:30 Uhr kräftige Nordlichter verschlafen. Ich ärgere mich, denn um halb zwei und um drei habe ich mir den Wecker gestellt aber außer einem schönen Sternenhimmel nichts gesehen.

Wir beschließen die letzte Etappe über das Plateau gemeinsam zu beenden und es ist schön, die beeindruckende Landschaft mit jemandem teilen zu können. Wir tauschen uns über unsere Erlebnisse aus und die Zeit vergeht im Fluge, die Kilometer ebenfalls. Schon um 10:00 Uhr treffen wir auf eine Quad-Spur der Sami. Von hier müssen wir nur noch dem Trail bis Alta folgen, die große Herausforderung liegt also hinter uns.

Neben vielen, vielen Rentieren treffen wir während einer Pause auf zwei Jäger, die mit ihren Quads hier auf Moorhuhnjagd sind. Ein kurzes Gespräch, dann fahren die beiden weiter und unser nächstes Ziel ist der „Magic Bus“. Wie im Film „Into the Wild“ stehen hier mitten in der Ebene die Reste eines alten VW-Busses. Aber es sind tatsächlich nur noch Reste, das ganze Fahrerhaus fehlt. Die Karosse wird wohl bei schlechtem Wetter als Schutz genutzt, ist aber innen ziemlich vermüllt.

Obwohl ich meine 25-Kilometermarke schon erreicht habe und es hier schöne Plätze für ein Zelt gibt, beschließen wir weiter zu laufen. Etwa gut acht Kilometer bevor wir auf die E45 treffen kommen wir an der Krokvannskoia, einer Nothütte vorbei. Also planen wir spontan um und laufen weiter – wie sich rausstellt eine gute Idee, denn grade als wir die Hütte erreicht haben fängt der angekündigte Regen an. Morgen sind es dann nur noch 25 km bis zu meinem Ziel in Alta.

Fazit: Und wieder eine Lektion zum Thema Gelassenheit. Da habe ich mir im Vorfeld Sorgen gemacht wie ich durch das Nábár komme. Klappt die Navigation? Was ist, wenn es die ganze Zeit neblig ist? Wie stark wird der Wind auf der Ebene sein? Was kann mein Zelt aushalten? Was mache ich bei drei Tagen Dauerregen? Gar nichts von alldem ist passiert! Die Nábárebene ist mit einer der schönsten Etappen auf meiner NPL-Tour und wird mir ewig in Erinnerung bleiben. Drei Tage kein Regen drei Tage kein Nebel drei Tage kein schlechtes Wetter, sondern überwiegend Sonnenschein, ein bisschen Wind, ein bisschen starker Wind, okay, aber nichts was einem Angst machen müsste! Wieder mal hab ich mir zu früh zu viele Gedanken gemacht, bin zu pessimistisch gewesen anstatt die Dinge auf mich zukommen zu lassen, um dann zu entscheiden, wie ich damit umgehen kann.