23,44 km – 09:02 h
Normalerweise habe ich nach einem Pausentag ja ein Motivationstief und Mühe mich aufzuraffen. Komischerweise kann ich es heute gar nicht erwarten los zu laufen. Um 04:00 Uhr sitze ich senkrecht im Bett und will schon aufstehen, da fällt mir grade noch rechtzeitig ein, dass ich ja im Supermarkt vorbei muss. Mir fehlt eine neue Wasserflasche und Marmelade. Der Markt öffnet aber erst um 08:00 Uhr, also kann ich erst spät los, um nicht vor verschlossenen Türen zu stehen. Schnell noch einmal umgedreht, aber einschlafen kann ich nicht mehr. Also doch aufstehen, Kaffee kochen und zum Frühstück gibt es alles, was ich gestern nicht mehr in den Rucksack bekommen habe.
Meine Route führt mich heute an der Ny-Sulitjelma Fjellstue vorbei zur Sorjushytta und mein Plan ist, mir hinter der Sorjus einen schönen Zeltplatz zu suchen.
Die Strecke vom Turistsenter bis zum Supermarkt kenne ich ja schon – immer bergab und an der Straße lang. Kurz nach acht bin ich im Laden, hole schnell was ich brauche und mache am Kuchenregal fest die Augen zu. Dann beginnt der anstrengende Teil des Tages. Der Supermarkt liegt auf einer Höhe von 140 m über n.n. Die Hütte auf gut 600 m und der höchste Punkt am Pass zur Sorjushytta liegt bei 1087 m über n.n. Heißt also ich muss heute fast 1000 Netto-Höhenmeter überwinden (ohne das ganze Auf und Ab zwischendurch).
Für den Aufstieg zur Ny-Sulitjelma Fjellstue brauche ich fast zwei Stunden, aber ich vertreibe mir die Zeit bei einem Telefonat mit Pe. So ist der Aufstieg nicht so langweilig. In der Hütte mache ich mein zweites Frühstück (hab ja genug dabei). Überrascht bin ich, als ich im Haupthaus auf Nadja und ihren Mann Basti treffe. So spät noch am frühstücken? Aber schön das ich Basti noch kennenlerne. Dabei stellt sich raus, dass wir uns wohl heute Abend in der Sorjushytta erneut treffen. Nach einer kleinen Rast mache ich mich wieder auf den Weg. Noch einmal geht es steil bergauf, 400 Höhenmeter fehlen noch und ich laufe in dichten Nebel hinein.
Diesmal brauche ich aber kein Telefonat um mich abzulenken, die Landschaft ist einfach faszinierend! Heute und die nächsten Tage folge ich der Nordkalottruta. Die Seen hier oben sind türkisblau und werden durch zwei Gletscher gespeist, den Blåmannsisen oder/und den Sulitjelmaisen. DerTrail ist gut markiert aber recht anspruchsvoll.
Ein wenig ungewohnt ist die Kälte. Ich bin mir nicht sicher, ob es die Höhe ist, oder ob ich schon die ersten Anzeichen des nahenden Herbstes zu spüren bekommen.
Die neuen Schuhe laufen sich gut, obwohl ich jetzt die Light-Version des Hanwag Tatra II trage merke ich gewichtsmässig keinen Unterschied, aber ich habe mit dem neuen Profil wieder mehr Halt auf nassen und rutschigen Steinen. Die anstehenden Flussfurten sind ebenfalls ok, allerdings bekomme ich bei der Letzten doch nasse Füße. Nicht weil die Schuhe undicht sind, sondern weil ich zu bequem bin die Schuhe zu wechseln. Das Wasser ist einfach zu tief und läuft mir von oben in den Schaft rein. Die Gamaschen sind natürlich ebenfalls gut verpackt im Rucksack.
Bis auf zwei kurze Snickers-Pausen laufe ich bis zur Sorjushytta durch und erreiche mein Ziel gegen 16:00 Uhr. Die Hütte ist leer und verschlossen. Ich habe eigentlich damit gerechnet, dass hier mehr los ist, Wanderer habe ich jedenfalls einige getroffen unterwegs. Ich schaue mich um und in der Sikringshytta (kleine Nebenhütte) finde ich doch jemanden. Der Arme liegt im Bett und hat sich den Fuß verletzt. Der ganze Knöchel ist dunkel-violett und dick geschwollen. Er ist Schwede und hat seit drei Tagen Urlaub. Auf dem Weg hierher ist er umgeknickt und konnte sich noch bis zu dieser Hütte schleppen. Der Kontakt zur Notrettung steht aber bereits und er wartet nur auf die Abholung. Holz, Wasser und Essen ist ausreichend vorhanden und meine Schmerztabletten braucht er auch nicht. Wir unterhalten uns noch eine Weile, dann gehe ich rüber in die Haupthütte. Die ist wieder mal ein echtes Hüttenhighlight und ich entscheide spontan, dass die Einweihung der neuen Isomatte noch einen Tag warten muss. Ich mache also den Ofen an und hole Wasser. Eine gute Stunde später treffen auch Nadja und Basti ein und bald darauf hören wir den Helikopter, der den Schweden ausfliegen muss. Der Fjellfunk scheint tadellos zu funktionieren. Ich werde mich jedenfalls doppelt vorsehen und noch vorsichtiger laufen.
Fazit: gestern hat mir Christine eine liebe Sprachnachricht und folgenden Spruch geschickt: „schwierige Wege führen oft zu den schönsten Zielen.“ Das kann ich heute auf jeden Fall unterschreiben. So schwierig der Weg auch war, so schön ist die Hütte hier am See. Ein zweiter Spruch passt auch auf den heutigen Tag, allerdings wortwörtlich: „Es ist besser mit vielen kleinen Schritten das Ziel zu erreichen, als sich bei einem großen Sprung die Beine zu brechen.“
Freut mich, dass die Rettung per Heli funktioniert hat. 🙂 Dann haben Tanja und ich alles richtig gemacht. Hoffentlich heilt sein Fuß komplett aus.